Geschichte

Geschichte

8 Spuren

Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 2025 spürt BASF acht sehr unterschiedlichen Schicksalen nach.

Wir folgen den oftmals nur vagen Spuren im NS-Regime verfolgter, diskriminierter oder ausgegrenzter Menschen, die in den Werken Ludwigshafen und Oppau der I.G. Farben am heutigen Hauptstandort von BASF SE beschäftigt waren. So soll stellvertretend auch all jenen gedacht werden, denen zwischen 1933 und 1945 unermessliches Leid angetan wurde. Denn lange bevor das NS-Regime verfolgte Gruppen systematisch ermordete, entrechtete es sie schrittweise und zerstörte ihre soziale, wirtschaftliche und kulturelle Existenz.

Deutsche jüdischen Glaubens und/oder jüdischer Abstammung spielen schon bei der Gründung von BASF eine Rolle. Einer der Gründungsväter ist Seligmann Ladenburg, ein Mannheimer Bankier. Heinrich Caro, einer der wichtigsten Chemiker der frühen Jahre, leitet von 1868 bis 1889 die wissenschaftliche Forschung bei BASF und leistet selbst wichtige Beiträge zur Teerfarbenchemie. In den Werken Ludwigshafen und Oppau, die mit der Fusion zur I.G. Farbenindustrie AG im Jahr 1925 Teil des neuen Konzerns geworden sind, bringt spätestens das Jahr 1938 niederschmetternde Gewissheit. Der Zentralausschuss der I.G. Farben, der alle wichtigen Personalentscheidungen trifft, beschließt im April unter dem Eindruck der zunehmenden Radikalisierung der „NS-Judenpolitik“, alle verbliebenen jüdischen oder aufgrund staatlicher Verfügung als Juden und Jüdinnen geltende Mitarbeitenden zu entlassen. Auch Mitarbeitende, die vom NS-Regime als „jüdische Mischlinge“ [NS-Begriff] definiert werden oder in sogenannten „Mischehen“ (mit „arischen“ Ehepartnern) [NS-Begriff] leben, sind zunehmend von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung betroffen. Genauso Sinti und Roma sowie politische Gegner des Regimes.

Mehr zu den I.G. Farben-Werken Ludwigshafen/Oppau in Nationalsozialismus und Kriegswirtschaft 

Die Physikerin entschließt sich bereits 1936 zur Auswanderung in die USA und bittet um Aufhebung ihres Arbeitsvertrags.
[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]
Die Suche nach einer neuen Heimat führt ihn und seine Familie zum Teil getrennt um die halbe Welt. Eine erzwungene Emigration mit großen finanziellen Verlusten.
[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]
Der Chemiker emigriert 1938 in die USA und schaltet kurz darauf einen Anwalt zur Durchsetzung seiner Ansprüche ein, die er auch nach Kriegsende weiter einfordert.
[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]
Die einzige auffindbare jüdische NS-Verfolgte unter den Arbeitern und Arbeiterinnen in den I.G. Farben-Werken Ludwigshafen und Oppau. Ihre Spur verliert sich, doch sie überlebt.

Durch die Entlassungen verlieren die Werke Ludwigshafen und Oppau wertvolle Mitarbeitende, wichtiges Know-how und geschätzte, loyale Kollegen und Kolleginnen. Manche von ihnen retten sich ins Ausland, erleben Entwurzelung und finanziellen Ruin, manche werden verschleppt, müssen Zwangsarbeit leisten. Marie Schuster kommt im Konzentrationslager ums Leben, andere verlieren Angehörige. In seltenen Ausnahmefällen können von der I.G. Farben vorzeitig pensionierte und auf Wartegeld gesetzte jüdische Akademiker unter dem Schutz einer „privilegierten Mischehe“ in Deutschland überleben. Vom NS-Staat als „jüdische Mischlinge“ eingestufte Mitarbeiter können vereinzelt bis Kriegsende 1945 weiter ihrer Tätigkeit in den Werken Ludwigshafen und Oppau nachgehen.

Die Werksleitungen in Ludwigshafen und Oppau nehmen beim Umgang mit den von Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung betroffenen Personengruppen ganz überwiegend eine indifferente Haltung ein. Man beschränkt sich auf eine – aus damaliger Sicht – formal „korrekte“ Abwicklung der Vorgänge: Man hält sich an die Vorgaben, insbesondere vertragsrechtliche Bestimmungen, zum Beispiel für Wartegeldbezüge oder Karenzentschädigungen. Es sind weder Fälle extremer Benachteiligung noch von besonderer Unterstützung bekannt.

Im November 1938 verhaftet und nach Dachau deportiert. Auf Bitten der I.G. Farben kommt er frei. Er überlebt als „Volljude“ [NS-Begriff] in Mannheim und kehrt 1946 ins Werk Ludwigshafen zurück
[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]
1943 wird sie wegen sogenannter "Rundfunkverbrechen" [NS-Begriff] verhaftet, bleibt als „Volljüdin“ [NS-Begriff] ohne Verfahren inhaftiert und wird nach Auschwitz deportiert, wo sie ums Leben kommt.
[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]
Im Rahmen der „Maideportation“ wird er 1940 als „Zigeunermischling“ [NS-Begriff] mit seiner Familie nach Polen verschleppt. Ihnen gelingt die Flucht aus dem Ghetto.
[Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma]
Als „jüdischer Mischling“ [NS-Begriff] wird er nach einem gescheiterten Auswanderungsversuch in der „Organisation Todt“ dienstverpflichtet. Seine Gesundheit wird dadurch geschädigt.
[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]

Aufgrund lückenhafter Überlieferung ist diese Spurensuche nur eine Annäherung. Unvollständig, skizzenhaft, nur in Ausschnitten detailliert. Keines der Schicksale lässt sich nach aktuellem Stand vollständig erzählen. Zudem ist nicht sicher, ob wir bereits alle Namen von NS-verfolgten Beschäftigten erfassen konnten. Bei den allermeisten bislang rekonstruierbaren Fällen von Betroffenen handelt es sich um jüdische oder gemäß NS-Definition als jüdisch eingestufte Akademiker und Akademikerinnen.

Gedenkbuch

2025 jährt sich auch das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. In der grausamen NS-Maschinerie war der Holocaust das mit Abstand größte Menschheitsverbrechen. Über sechs Millionen Jüdinnen und Juden aus ganz Europa wurden ermordet. Dass sich die gesellschaftliche und rechtliche Vorbereitung der Verfolgung rassenideologischer und politischer Gegner des Regimes nicht außer Sichtweite, sondern in der Mitte des beruflichen und privaten Alltags vollzog, auch daran soll mit dieser Spurensuche erinnert werden.

In unserem Gedenkbuch haben wir alle bislang von BASF Corporate History identifizierten Schicksale zusammentragen.

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Erinnerungskultur bei BASF
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