Geschichte
Gedenkbuch
An dieser Stelle erinnert BASF an die Mitarbeitenden in den I.G. Farben-Werken Ludwigshafen und Oppau am heutigen BASF-Standort Ludwigshafen, die Opfer der rassenideologisch motivierten Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Regime wurden.
Erfasst sind auch jene, die aufgrund ihres Status - zum Beispiel als "jüdischer Mischling" [NS-Begriff] - in den Blick der Machthaber gerieten, aber in den Werken Ludwigshafen oder Oppau der I.G. Farben verbleiben konnten. Das Gedenkbuch ist nicht abgeschlossen, denn die Spurensuche von BASF Corporate History geht weiter. Es bildet somit den Kenntnisstand von Anfang 2025 ab.
Die folgende Übersicht umfasst neben den Lebensdaten und Informationen zur Beschäftigung bei BASF bzw. I.G. Farben die uns bekannten Gründe für Verfolgung und Diskriminierung. Soweit rekonstruierbar, wird auch das weitere Schicksal der ermittelten Personen nach ihrem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Unternehmen kurz erfasst. Nach der Personenübersicht finden Sie zudem eine Einschätzung zu den Herausforderungen bei der Spurensuche. Acht Personen, die die Vielfalt der unterschiedlichsten Schicksale aufzeigen, werden zudem näher beleuchtet. Über Links gelangen Sie zu ihren Kurzportraits.
Wir wissen nicht, wie viele Namen von verfolgten Mitarbeitenden in diesem Gedenkbuch noch fehlen. Bei den allermeisten rekonstruierbaren Fällen von Betroffenen handelt es sich – gemäß NS-Ideologie – um „jüdische“ Akademiker und Akademikerinnen, deren Personalakten vorliegen. Das umfasst sowohl Menschen, die in ihrem Selbstverständnis jüdischer Abstammung oder jüdischen Glaubens waren, als auch jene, die lediglich vom NS-Regime als Juden definiert wurden. In den Personalakten fanden wir eine unterschiedliche Fülle an Informationen vor, in jedem Fall aber deutlich mehr als sonst an Basisdaten auf Personalkarten festgehalten wurde. Für Arbeiter und Arbeiterinnen stellen diese Karten die einzige Informationsquelle dar, weil Personalakten für diese Beschäftigtengruppe damals nicht angelegt wurden. Aus diesem Grund fehlen von ihnen auch Fotografien.
Dr. Michael Aschenbrenner
Lebensdaten: 1900–1977
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1927–1962
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Dr. Friedrich Bergmann
Lebensdaten: 1899–1989
Beruf: Physiker
Werkszugehörigkeit: 1926–1964
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "jüdischer Mischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Heinrich Birkenfelder
Lebensdaten: 1908–1986
Beschäftigt als: Hilfsheizer
Werkszugehörigkeit: 1939–1940
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Zigeunermischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Deportation; Zwangsarbeit; überlebte
Dr. Agate Carst
Lebensdaten: 1896–1975
Beruf: Physikerin
Werkszugehörigkeit: 1927–1936
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "jüdische Abstammung" [Selbstaussage]
Schicksal: eigene Kündigung; Auswanderung
Dr. Ernst Donath
Lebensdaten: 1902–1983
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1926–1946
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "jüdischer Mischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib im Werk bis 1946; danach eigene Kündigung und Auswanderung
Hedwig Ebel
Lebensdaten: 1904–1974
Beschäftigt als: ungelernte Arbeiterin
Werkszugehörigkeit: 1940
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jüdin [gemäß Glaubensbekenntnis]
Schicksal: Entlassung; überlebte
Dr. Ing. Ernst Erich Escales
Lebensdaten: 1907–1979
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1935–1939
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Halbjude" [NS-Begriff]
Schicksal: eigene Kündigung; Verhaftung 1943; Deportation nach Buchenwald 1944; überlebte
Regierungsbaumeister Max Falkenberg
Lebensdaten: 1887-1965
Beruf: Architekt
Werkzugehörigkeit: 1921-1938; 1946-1952
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß Glaubensbekenntnis]
Schicksal: Deportation nach Dachau 1938; Entlassung; Wiedereinstellung
Dr. Walter Frankenburg
Lebensdaten: 1893–1957
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1923–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: Entlassung; Auswanderung
Dr. Fritz Fried
Lebensdaten: 1896–1987
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1927–1961
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "jüdischer Mischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Wilhelm Gebauer
Lebensdaten: 1889–1942
Beschäftigt als: Telefonist
Werkszugehörigkeit: 1940–1942
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: natürlicher Tod
Philipp Glaser
Lebensdaten: 1900 –? [Todesjahr unbekannt]
Beruf: Schlosser
Werkszugehörigkeit: 1915–1965
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Dienstverpflichtung ("Organisation Todt"); überlebte
Dr. Max Herbst
Lebensdaten: 1892–1959
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1928–1957
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Dr. Kurt Herrdegen
Lebensdaten: 1890–1988
Beruf: Chemiker; Betriebsleiter (ab 1934)
Werkszugehörigkeit: 1915–1955
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "jüdischer Mischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Dr. Karl Heymann
Lebensdaten: 1904–? [Todesjahr unbekannt]
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1933–1936
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: eigene Kündigung; Auswanderung
Betriebsbaumeister Horst Jacoby
Lebensdaten: 1891–1978
Beruf: Bauingenieur
Werkszugehörigkeit: 1920–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: Zwangspensionierung; überlebte
Dr. Max Kunz
Lebensdaten: 1876–1960
Beruf: Chemiker; Leiter des Hauptlabors (1932–1938)
Werkszugehörigkeit: 1901–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Dr. Ing. Hermann Leuchs
Lebensdaten: 1894–1978
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1927–1959
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Prof. Dr. Herman Francis Mark
Lebensdaten: 1895–1992
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1927–1932
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Halbjude" [NS-Begriff]
Schicksal: eigene Kündigung; Verhaftung; Auswanderung
Prof. Dr. Kurt Hans Meyer
Lebensdaten: 1883–1952
Beruf: Chemiker; Leiter des Hauptlabors (1921–1931); I.G. Farben-Vorstandsmitglied (1925–1932)
Werkszugehörigkeit: 1921–1932
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: eigene Kündigung; Auswanderung
Dr. Paul Nawiasky
Lebensdaten: 1883–1977
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1907–1936
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Nichtarier" [Selbstaussage; NS-Begriff]
Schicksal: eigene Kündigung; Auswanderung
Dipl. Ing. Hans Schellenberg
Lebensdaten: 1891–1969
Beruf: Ingenieur
Werkszugehörigkeit: 1926–1956
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Halbjude" [NS-Begriff]
Schicksal: Dienstverpflichtung ("Organisation Todt"); überlebte
Dr. Karl Otto Schmitt
Lebensdaten: 1900–1976
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1925–1965
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Dr. Curt Schuster
Lebensdaten: 1892–1990
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1922–1943; 1945–1957
Verheiratet mit: Dr. Marie Regina Schuster
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Verhaftung und Kündigung; Verurteilung; Zwangsarbeit; Wiedereintritt
Dr. Marie Regina Schuster
Lebensdaten: 1890–1944
Beruf: Chemikerin
Werkszugehörigkeit: 1920–1925
Verheiratet mit: Dr. Curt Schuster
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jüdin [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: eigene Kündigung; Verhaftung; Deportation; Tod im Konzentrationslager Auschwitz
Albert Siebert
Lebensdaten: 1891–1974
Beruf: kaufmännischer Angestellter
Werkszugehörigkeit: 1918–1931; 1936–1945
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: Dienstverpflichtung (Organisation Todt); überlebte
Dr. Berthold Stein
Lebensdaten: 1894–1956
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1929–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß Glaubensbekenntnis]
Schicksal: Entlassung; Auswanderung
Dr. Emery I. Valko
Lebensdaten: 1902–1975
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1929–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: Entlassung; Auswanderung
Dr. Lili Wachenheim
Lebensdaten: 1893–1989
Beruf: Chemikerin
Werkszugehörigkeit: 1918
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jüdin [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: eigene Kündigung; Auswanderung
Georg Wald
Lebensdaten: 1905–? [Todesjahr unbekannt]
Beruf: Betriebsarbeiter
Werkszugehörigkeit: 1936–1943
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Mischehe" mit einer Jüdin [NS-Begriff]
Schicksal: krankheitsbedingtes Ausscheiden
Dr. Hans Joachim Waldmann
Lebensdaten: 1901–? [Todesjahr unbekannt]
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1939–1966
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß NS-Zuschreibung]
Schicksal: Verbleib bis zur Pensionierung im Werk
Dr. Wilhelm Werniger
Lebensdaten: 1912–? [Todesjahr unbekannt]
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1938–1942
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Jüdischer Mischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Übertritt in anderes I.G. Farben-Werk (Filmfabrik Wolfen); weiteres Schicksal unbekannt
Dr. Hans Wolff
Lebensdaten: 1899–? [Todesjahr unbekannt]
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1929–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [unklar, ob gemäß Glaubensbekenntnis oder NS-Zuschreibung]
Schicksal: eigene Kündigung; weiteres Schicksal unbekannt
Dr. Wolf Walter Wolff
Lebensdaten: 1891–1948
Beruf: Chemiker
Werkszugehörigkeit: 1928–1938
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß Glaubensbekenntnis]
Schicksal: Entlassung; Auswanderung
Herausforderungen der Spurensuche
Auf die Gründe für die Überlieferung mehrheitlich akademischer Schicksale wurde bereits verwiesen. Zudem liegt keine unternehmenseigene Zusammenstellung aus der NS-Zeit vor, die Rückschlüsse auf den Umgang mit Juden und Jüdinnen oder nach NS-Kriterien „jüdischen“ Mitarbeitenden in den I.G. Farben-Werken Ludwigshafen und Oppau erlaubt. Zwar ist aus einzelnen Personalakten ersichtlich, dass es spezielle Besprechungen zu dem Thema gegeben haben muss, doch sind diese nicht überliefert. Jeder Versuch einer Gesamteinordnung muss sich also aus der Summe lückenhaft überlieferter Einzelschicksale ableiten.
Ausgangspunkt der Spurensuche ist eine Liste. Sie ist Teil einer eidesstattlichen Versicherung, die ein leitender Mitarbeiter der Personalabteilung 1947 im Rahmen des Nürnberger I.G. Farben-Prozesses abgab. Geführt sind darin – orientiert an den Kategorien des NS-Regimes – Juden und Jüdinnen, „jüdische Mischlinge“ und Mitarbeitende, die mit Juden oder Jüdinnen verheiratet („versippt“) waren. Diese Liste umfasst nur Akademiker und Akademikerinnen. Ob vergleichbare Listen für andere soziale Statusgruppen bestanden, ist nicht klar zu sagen, aber zu vermuten. Denn eine Übersicht muss man in den 1930er-Jahren gehabt haben, da Mitarbeitende durch die NS-Rassengesetze verpflichtet waren, eine Erklärung zu ihrer Abstammung abzugeben.
Eine weitere Herausforderung: In den I.G. Farben Werken Ludwigshafen und Oppau gaben Menschen mit jüdischen Wurzeln – neben dem jüdischen Glauben das für die NS-Rassenideologen und den Verfolgungsapparat entscheidende Merkmal – selten als Glaubensbekenntnis „israelitisch“ an. Demgegenüber war die große Mehrzahl von ihnen getauft und in ihren Personalunterlagen eine christliche Konfession vermerkt. Um potenzielle Betroffene zu identifizieren, taugen Personalakten und -karteien deshalb in den seltensten Fällen: Von fast 6.000 Personalakten und 10.000 Personalkarten enthalten nur die von Dr. Berthold Stein, Hedwig Ebel und Walter Wolff den Eintrag „israelitisch“ bzw. „nichtarisch“ [NS-Begriff]. Insbesondere Personalakten sind dennoch unerlässlich, um Details zu erfahren, die dem Datengerüst einer Personalkarte nur selten – in Form knapper Zusatzvermerke (wie im Fall von Hedwig Ebel) – zu entnehmen sind.
Als externe Quelle wurde deshalb auch das „Jüdische Einwohnerverzeichnis“ Ludwigshafens von 1938 und 1939 hinzugezogen. Wo Berufsangaben bei Personen eine Beschäftigung im I.G. Farben-Werk Ludwigshafen oder Oppau nahelegten, wurde dies jeweils gegengeprüft. Neue Namen ergaben sich dabei nur vereinzelt, und auch nur für Mitarbeiter, die mit Jüdinnen verheiratet waren. Mitarbeitende kamen darüber hinaus aus allen möglichen Ortschaften der Umgebung wie Speyer, Mannheim, Heidelberg oder Frankenthal. Entsprechend geht die Suche auch hier weiter. Auf ähnliche Listen sind wir auch im Fall der sogenannten „Zigeuner“ angewiesen, die wir für Ludwigshafen überprüften. Außer dem uns schon vorher bekannten Heinrich Birkenfelder begegneten uns hier aber bislang keine weiteren Sinti oder Roma.
Die Unterlagen im Unternehmensarchiv helfen zudem nur ansatzweise dabei, den Lebensweg der Betroffenen auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen weiterzuverfolgen. Manche kehrten nach Kriegsende zu BASF zurück – die I.G. Farben wurde durch die Militärregierung zerschlagen und BASF 1952 neugegründet. Andere suchten nach 1945 wieder Kontakt, um wegen ausgebliebener finanzieller Leistungen Ansprüche geltend zu machen. Weiterführende Recherchen müssen deshalb auch Wiedergutmachungsakten berücksichtigen.
Die Spurensuche geht also weiter und soll im nächsten Schritt auch verstärkt die Schicksale politisch verfolgter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Fokus rücken.