Geschichte
Reg.Bmstr. Max Falkenberg - Allem Schrecken zum Trotz
Lebensdaten: 1887–1965
Beruf: Architekt
Werkszugehörigkeit: 1921–1938; 1946–1952
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: Jude [gemäß Glaubensbekenntnis]
Schicksal: Deportation nach Dachau; Entlassung; Wiedereinstellung
Der 10. November 1938 ist für Regierungsbaumeister Max Falkenberg ein Tag der Ohnmacht. Am Folgetag der vom NS-Regime gelenkten „Reichspogromnacht“, in der die Gewalt gegen deutsche Juden eine neue Stufe der Brutalität erreicht, wird er verhaftet und nur wenig später in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Hier muss er etwa fünf Wochen zubringen und in Ungewissheit ausharren. Das I.G. Farben-Werk Ludwigshafen, Falkenbergs langjähriger Arbeitgeber, setzt sich mit Erfolg für seine Freilassung ein. Er wird gebraucht für die geregelte Übergabe seines Arbeitsbereichs als Bauingenieur, wie man den Behörden am 29. November 1938 mitteilt. Eine darüber hinausreichende Weiterbeschäftigung Falkenbergs kommt nicht in Frage, obwohl die Werksleitung ihn als Menschen, der „sich stets als ruhiger, gewissenhafter und zuverlässiger Mann gezeigt“ habe, beschreibt. Keiner, der „politisch noch sonst hervorgetreten“ sei.
„Die ungeheure moralische Hilfe“
Der engagierte wie geschätzte Max Falkenberg ist seit 1921 im Werk Ludwigshafen angestellt. Seit Juli 1938 weiß er bereits, „dass es geboten sei, dass er sich nach einer anderen Stelle umsehe“. Offenbar bezieht er mit Beginn des Jahres 1939 sogenanntes Wartegeld, nachdem sein Anstellungsvertrag zum Jahresende 1938 aufgelöst worden ist. In beiderseitigem Einverständnis, wie es damals heißt. „Wartegeld“ werden damals wie heute Zahlungen genannt, die von vorzeitig oder vorübergehend in den Ruhestand versetzten Beschäftigen bezogen werden können.
Falkenberg steht vor den Scherben seiner Existenz und bleibt doch zugewandt: „Für das dabei gezeigte Entgegenkommen danke ich, zugleich auch für das bisher im Dienst mir bewiesene Vertrauen, was ich auch weiterhin stets rechtfertigen werde“, schreibt er im September 1938 im Zusammenhang mit dem geplanten Ausscheiden an die I.G. Farben. Auch die für ihn immer prekärer werdenden Umstände können nicht daran rütteln: Max Falkenberg ist ein ergebener Aniliner und muss trotzdem fieberhaft nach Alternativen suchen.
Die Hoffnung, mithilfe der I.G. Farben eine Stellung in der Türkei zu erlangen, zerschlägt sich rasch. Im Februar 1939 schreibt Max Falkenberg: „Für mich gilt es nun, mit Eifer nach anderen Wegen für eine Auswanderung zu suchen.“ Die Auswanderungsversuche scheitern. Obwohl Max Falkenberg als sogenannter „Volljude“ gilt, kann er in einer „Mischehe“ mit einer „arischen“ Frau überleben. Von seinem einstigen Arbeitgeber bekommt er zumindest, wie er 1947 selbst in einer eidesstattlichen Erklärung (im Rahmen des Nürnberger I.G. Farben-Prozesses) mitteilt, „regelmässig und ununterbrochen monatlich Wartegeld“. Eine wichtige Stütze in schwierigen Zeiten, wie er weiter betont: „Ich denke dabei viel weniger an die materielle als an die ungeheure moralische Hilfe, die mir während dieser schweren Zeit von Seiten der Werksleitung gebracht worden ist und die mir und meiner Frau die Kraft gab, diese Zeit zu überstehen.“
„Wieder in seinem alten Tätigkeitsgebiet“
Nach Kriegsende klopft Max Falkenberg wieder an die Tür von BASF. Offenbar unbeirrbar in seinem Vorhaben, beruflich wieder Fuß zu fassen. „Da Herr Falkenberg in hervorragender Pflichterfüllung unserem Werk gedient hat, beabsichtigen wir, ihn wieder in seinem alten Tätigkeitsgebiet zu beschäftigen“, heißt es im März 1946 vonseiten BASF.
Irgendwo zwischen tiefer Dankbarkeit und bitterer Enttäuschung verortet, wählt Max Falkenberg unmittelbar nach Kriegsende klare Worte:
„Wenn mir auch die Direktion durch finanzielle Hilfe […] meine Lage erleichterte, so hatte ich doch als Nichtarier seit 1938 weit über das allgemein bekannte Mass unter den ausgeklügelten Erschwernissen, Schikanen und jedem menschlichen Gefühl Hohn sprechenden Maßnahmen der Regierung und Partei des Dritten Reiches zu leiden […].“
Konkreter beschreibt Max Falkenberg das Leiden der zurückliegenden Jahre in einem Fragebogen der französischen Militärregierung:
Was in der Nachkriegs-Korrespondenz außerdem deutlich wird: Durch die jahrelange Verfolgung, sicher auch durch die Schutzhaft in Dachau, ist Max Falkenbergs Gesundheit zerrüttet. Was ihn in seinen späten Jahren bei BASF immer wieder zu längeren Genesungspausen zwingt. Im Januar 1952 wird Max Falkenberg beurlaubt. Zum 31.12. 1952, 14 Jahre nachdem er seine Anstellung so unwürdig und unfreiwillig aufgeben musste, geht Max Falkenberg bei BASF regulär in Rente. Er verstirbt im Februar 1965.