Geschichte
Heinrich Birkenfelder - Im Ghetto überlebt
Lebensdaten: 1908–1986
Beschäftigt als: Hilfsheizer
Werkszugehörigkeit: 1939–1940
Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Zigeunermischling" [NS-Begriff]
Schicksal: Deportation; Zwangsarbeit; überlebte
Die Verhaftung trifft ihn völlig unvorbereitet. In den frühen Morgenstunden des 16. Mai 1940 wird Heinrich Birkenfelder, seit Januar 1939 Hilfsheizer in der Dampfzentrale des I.G. Farben-Werks in Oppau, gemeinsam mit seiner Frau Amalie, seinen vier Kindern und 55 weiteren Personen in Ludwigshafen verhaftet. Es wird sein letzter Arbeitstag bei den I.G. Farben sein.
Hunger und Angst
Auf der Personalkarte Heinrich Birkenfelders – eine Personalakte gibt es damals nicht für Arbeiter – ist mit Datum vom 16. Mai 1940 knapp als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses notiert: „ungeeignet“. Rückblickend ist diese Formulierung eine Verschleierung der wahren Gründe, denn als „Zigeunermischling“ wird Heinrich Birkenfelder im NS-Regime rassisch verfolgt. Am Tag seiner Entlassung erfolgt in einer großangelegten Aktion in Ludwigshafen und andernorts die Verhaftung aller zur Deportation vorgesehenen Sinti und Roma, insgesamt von mehr als 2.500 Personen. Was später als „Maideportation“ in die Geschichte der Verfolgung von Sinti und Roma eingehen wird, besiegelt auch das Schicksal von Heinrich Birkenfelder und seiner Familie. Sie werden zunächst in ein Sammellager in Hohenasperg bei Stuttgart zwangsverbracht. Von dort aus erfolgt am 22. Mai 1940 die Verschleppung in verschiedene Ghettos im Generalgouvernement im deutsch besetzten Polen.
Zurück nach Heidelberg
Doch die Familie Birkenfelder hat großes Glück: 1944 gelingt ihnen die Flucht, als ihre Bewacher ihre Posten angesichts der herannahenden Roten Armee aufgeben. Mit anderen Kriegsflüchtlingen kehren sie in ihre Heimat zurück. Nicht etwa nach Ludwigshafen, sondern nach Heidelberg. Von hier aus war die Familie 1936 nach Ludwigshafen gezogen, nachdem man ihr – wie vielen anderen Sinti-Familien auch – ihre Lebensgrundlage durch Nicht-Verlängerung ihrer Wandergewerbescheine und die Streichung von Sozialhilfe systematisch entzogen hatte. So blieb für viele nur die Möglichkeit, als schlecht bezahlte Hilfskraft in den umliegenden Industriestädten nach Arbeit zu suchen.
In Heidelberg versteckt sich Familie Birkenfelder bis Kriegsende und beginnt dort in der Altstadt wohnend ein neues Leben. Auf Wiedergutmachung hoffen viele Sinti und Roma nach 1945 vergeblich. Viele von ihnen erleben weiterhin Diskriminierung und Ausgrenzung. Welche Erfahrungen Heinrich Birkenfelder in Nachkriegs-Deutschland macht, ist nicht überliefert. Er verstirbt 1986 in seiner Heimat Heidelberg.
Bis heute ist Heinrich Birkenfelder der einzige Vertreter der Sinti und Roma, dessen Beschäftigung in den I.G. Farben-Werken Ludwigshafen/Oppau schriftlich dokumentiert ist.