Geschichte

Geschichte

Dipl. Ing. Hans Schellenberg - Zum Dienst verpflichtet

[Quelle: BASF Corporate History / Fotograf: unbekannt]

Lebensdaten: 1891–1969

Beruf: Ingenieur

Werkszugehörigkeit: 1926–1956

Diskriminierungs-/Verfolgungsgrund: "Halbjude" [NS-Begriff]

Schicksal: Dienstverpflichtung (Organisation Todt); überlebte

Die letzten Kriegsmonate verlangen Dipl. Ing. Hans Schellenberg besonders viel ab. 1945 fällt sein Sohn Hans-Herwig im Gefecht. Hans Schellenberg selbst ist seit Dezember 1944 bei der „Organisation Todt“ dienstverpflichtet. Diese verantwortet den Bau von Schutz- und Rüstungsprojekten vor allem in besetzten Gebieten und unter Einsatz unzähliger Zwangsarbeiter. Schellenberg wird in die Sonderbauleitung in Eschershausen im Kreis Holzminden verschickt, über 350 Kilometer von seinem Lebensmittelpunkt Ludwigshafen entfernt. Seit 1932 lebt er dort mit seiner Frau Gertrud und zwei Söhnen in einer Werkswohnung in der Rupprechtstraße.

Meldung zum Abtransport

Im NS-Regime gilt Hans Schellenberg als „Halbjude“ [NS-Begriff], weil er zwei jüdische Großeltern hat. Wie in anderen vergleichbaren Fällen wird auch er aus diesem Grund von seinem Arbeitsplatz als Ingenieur in der Technischen Abteilung des Werkes Ludwigshafen zur „Organisation Todt“ zwangsversetzt. Auf seinem Verpflichtungsbescheid steht, er habe sich „am 4. Dezember 1944, 16.00 Uhr in Schifferstadt […] zum Abtransport“ zu melden. Als besonders diskriminierend dürfte er empfunden haben, dass er ungeachtet seiner Qualifikation in Eschershausen als Bauhilfsarbeiter eingesetzt wird. Mit Blick auf sein fortgeschrittenes Alter – Hans Schellenberg ist 1944 bereits 53 Jahre alt – müssen ihn die auferlegten Tätigkeiten außerdem körperlich sehr gefordert haben.

Verpflichtungsbescheid für Hans Schellenberg zur "Organisation Todt", ab 1938 zuständig für sämtliche baulichen Schutz- und Rüstungsprojekte des Deutschen Reichs

„Ein schwerer Körperschaden“

Dass Hans Schellenberg seiner erzwungenen Dienstverpflichtung nicht im erwarteten Maß nachkommen kann, legt ein Schreiben der Personalabteilung des Werkes Ludwigshafen an das örtliche Arbeitsamt Anfang Februar 1945 nahe. Er soll schon zum Jahresende 1944 aus dem Bauhilfseinsatz abgezogen worden sein – „wegen eines schweren Hörfehlers“. Seither verrichtet der Ingenieur Putzarbeiten. Für die I.G. Farben ist das Grund genug, um seine Rückversetzung nach Ludwigshafen zu bitten: „Herr Schellenberg fehlt uns wegen seiner jahrelangen Spezialerfahrung auf dem Gebiet der Planung und des Betriebes von Energieanlagen augenblicklich sehr.“ Sein Arbeitgeber unterstreicht außerdem, dass er wegen „seines vorgerückten Alters und seines schweren Körperschadens offensichtlich nicht für die vorgesehene Tätigkeit verwendet werden kann“. Doch die Intervention bleibt ohne Erfolg. Schellenberg muss seiner Dienstverpflichtung bis Kriegsende nachkommen.

„Opfer des Faschismus“

Am 9. November 1946 wird Hans Schellenberg als „Opfer des Faschismus“ anerkannt. Ob „nur“ auf Basis der auferlegten Dienstverpflichtung oder ob es weitere Anhaltspunkte dafür gab, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Ob er eine kritische Haltung zum NS-Regime hatte und dies auch deutlich machte, oder ob er als „Halbjude“ noch unter weiterer Diskriminierung und Verfolgung zu leiden hatte, ist nicht überliefert. Klar ist nur, dass er 1939 in Erwägung zieht, mit seiner Familie auszuwandern. Er interessiert sich für eine von der I.G. Farben zu vermittelnde Stelle als Ingenieur bei einer türkischen Bank in Ankara, die einen Fachmann für die Betreuung von ihr verwalteter Industrieunternehmen sucht. Dazu kommt es bekanntlich nicht.

Ab 29. Juni 1945 ist Hans Schellenberg wieder im Konstruktionsbüro im Werk Ludwigshafen tätig und scheidet dort im Dezember 1956 regulär aus dem Dienst aus. 1969 verstirbt er in Ludwigshafen.

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