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Aus verschiedenen Blickwinkeln

Am Risiko führt
kein Weg vorbei

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Ein Tanz von Gefühl und Vernunft

Porträt Paul Slovic
Professor Paul Slovic
ist Professor für Psychologie an der University of Oregon, USA, und Präsident der Beratungsfirma Decision Research. Er untersucht Urteilsvermögen und Entscheidungsprozesse, vor allem die Entscheidungsfindung unter Risikobedingungen.

Oft fürchten wir uns am meisten vor Dingen, die uns am unwahrscheinlichsten zustoßen – etwa ein Flugzeugabsturz. Können Menschen Risiken richtig einschätzen?

Als Wissenschaftler bewerten Sie Risiken wahrscheinlich auf analytische Weise und stützen sich dabei auf Forschungsergebnisse, Daten und Statistiken. Am Anfang unserer Forschung zur Risikowahrnehmung dachten wir, dass auch alle anderen diesen Ansatz in ähnlicher, wenn auch vereinfachter Form anwenden. Doch wir haben festgestellt, dass die meisten Menschen Risiken ihrem Gefühl nach beurteilen. Sie denken über die Situation nach und das löst in ihnen Sorge, Angst, Furcht oder Hoffnung aus. Die so erzeugten Gefühle entscheiden darüber, wie sie ein Risiko beurteilen.

Warum und wie beeinflussen unsere Gefühle unsere Entscheidungen?

Unsere emotionalen Reaktionen sind seit den Anfängen der Menschheit beeindruckend wertvoll für uns: Nicht nur bei der Einschätzung von Risiken, sondern auch für unser Leben generell. Wenn wir zuerst auf unser Gefühl hören, können wir schnell Entscheidungen treffen: Sollte ich dieses Wasser trinken? Wie soll ich auf dieses Geräusch reagieren? Wir nennen diesen Mechanismus „Affektheuristik“.

Wie bestimmt die Affektheuristik unsere Reaktion auf moderne Risiken?

Die Emotionen der Menschen und ihre Risikowahrnehmung werden stark von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die über bloße statistische Wahrscheinlichkeiten hinausgehen. Setzt man sich einer Gefahr freiwillig oder unfreiwillig aus? Kann man beeinflussen, wie lang oder intensiv man sich der Gefahr aussetzt oder liegt dies außerhalb der eigenen Kontrolle? Tritt die Gefahr direkt oder verzögert ein? Wie groß ist die Belohnung, wenn man das Risiko eingeht?

Vogelperspektive von zwei Personen, die über einen blauen und violetten Boden gehen.

Können Sie Beispiele für Risiken nennen, die Menschen je nach Kontext unterschiedlich wahrnehmen?

Ein Beispiel sind medizinische Röntgenstrahlen und Atomkraft. In beiden Fällen handelt es sich um Technologien, die mit Strahlung arbeiten. Dennoch betrachten die Menschen erstere als kontrollierbar, gut erforscht und nützlich, sodass sie das Risiko als gering einschätzen. Im Gegensatz dazu verbanden die Menschen die Atomenergie von Anfang an mit einem Gefühl der Angst. Atomunfälle könnten katastrophale Folgen haben, und die Vorteile der Technologie waren nicht sehr klar, weshalb sie als sehr riskant galt.

Wenn unsere Risikowahrnehmung von Emotionen gesteuert wird, können wir uns dann bei der Urteilsbildung auf Wissenschaftler verlassen?

Es gibt die Vorstellung, dass Wissenschaftler sich mit objektiven Risiken befassen – etwa mit der Zahl der Todesfälle, die durch den Einsatz einer Technologie zu erwarten sind –, während die öffentliche Wahrnehmung subjektiv und irgendwie irrational ist. Aber auch diese sogenannten objektiven Berechnungen sind subjektiv. Sie gewichten alle Arten von Unterschieden gleich: ob die Person jung oder alt war, ob sie etwas freiwillig aus Spaß tat oder ob ihr etwas von einem Unternehmen aufgezwungen wurde, das allein davon profitierte.


Vieles hängt davon ab, ob die Menschen den Wissenschaftlern vertrauen. In Frankreich wurde die Atomenergie zum Beispiel eher akzeptiert als in den USA. Nicht, weil die Menschen keine Angst vor den Risiken hatten, sondern weil sie den Behörden eher zutrauten, mit diesen Risiken umzugehen.

Was müssen wir noch über die Risikowahrnehmung lernen?

Ein großer Bereich sind die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Arten, wie unser Verstand mit Risiken umgeht. Wir können Risiken logisch berechnen und analysieren, was seine Zeit braucht. Gleichzeitig interagiert dieser Prozess jedoch mit anderen Mechanismen in unserem Gehirn, die in Millisekunden ohne langes Nachdenken ablaufen und dennoch Gefühle erzeugen, die sehr stark sind. Wir nennen das den Tanz von Gefühl und Vernunft. Wir erkennen nicht, dass unser eigener Verstand uns über ein Risiko täuscht, weil er Gefühle erzeugt, die uns in die Irre führen.

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