Vogelperspektive von einem Containerschiff
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Aus verschiedenen Blickwinkeln

Reißen die Ketten?

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Neue Technologien können eine bessere globale Koordinierung ermöglichen

Porträt von Thaiane Oliveira
Dr. Jagjit Singh Srai
ist Forschungsdirektor und Leiter des Centre for International Manu­facturing am Institute for Manufacturing der University of Cambridge/England sowie stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses „Future of Advanced Manufacturing and Production“ des Weltwirtschaftsforums. Zuvor war er Supply Chain Director und Executive Manager bei Unilever.

Wie sieht eine idealtypische Liefer­kette aus? 

Bei einer optimal gestalteten Lieferkette sind Angebot und Nachfrage ausgewogen. Sie ist entsprechend den Bedürfnissen der Produktion reaktionsschnell und bietet die notwendige Flexibilität, um Nachfrageschwankungen auszugleichen. Im Pharmasektor ist etwa das amerikanische Unternehmen Johnson & Johnson ein Vorreiter: Industrielle digitale Technologien tragen dazu bei, die Produktivität zu steigern, die Nachhaltigkeit zu erhöhen und Kundenerfahrungen zu verbessern.

Gibt es ein Patentrezept für eine widerstandsfähige Lieferkette?

Das hängt vom jeweiligen Sektor ab. Versorgungsketten für Rohstoffe müssen effizient sein – lebenswichtige Industriezweige wie ­Lebensmittel und Pharma dagegen widerstandsfähig. Je länger die Lieferkette, desto anfälliger kann sie sein. Wo die Nachfrage schwankt, ist Vernetzung wichtig. Entscheidend, um auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können, ist die Wechselbeziehung zwischen Produktionstechnologie und Lieferkette. Wenn Produkte lokal mit 3D-Druckern und nicht in einer Hochgeschwindigkeits-Fertigungsstraße in einem Niedriglohnland hergestellt werden, können auf Bestellung produzierte Waren nach Verbraucherwunsch individuell gestaltet werden. Und weil die Produktion vor Ort stattfindet, ist die Lieferkette flexibler, effizienter und widerstandsfähiger. Das niederländische Unternehmen Signify etwa nutzt diesen Ansatz, um maßgeschneiderte Beleuchtungslösungen für seine Kunden zu entwickeln.

Grafik einer bunten Perlenkette

Wie kann Technologie noch dazu beitragen, Lieferketten robuster
zu machen?

Neue Technologien können eine bessere globale Koordinierung ermöglichen. Modulare Fabriken etwa, die neue Technologien wie die industrielle Digitaltechnik nutzen, können Hersteller befähigen, ihre Produktion je nach Bedarf näher an die Verbrauchermärkte zu verlagern. Die Technologie gibt ihnen auch mehr Daten für Nachfrageprognosen an die Hand. Vor allem die pharmazeutische Industrie zeichnet sich durch sehr lange, mehrstufige – und damit anfällige – Lieferketten aus. Technologische Fortschritte können einem Pharmaunternehmen helfen, seine Lieferkette zu verschlanken. Außerdem ermöglichen digitale Technologien Optionen für späte Anpassungen: Informationen zu Arzneimitteln für Patienten könnten über QR-Codes oder Videos bereitgestellt werden anstelle von schriftlichen Beipackzetteln, die die Lieferkette durchlaufen.

Was ist wichtiger: wo die Dinge hergestellt werden oder wie?

Beides ist wichtig. Derzeit gibt es weltweit viele Spannungen – zwischen Russland und der Ukraine, den USA und China oder Großbritannien und Europa. Geogra­fische Nähe wird immer wichtiger, weil die Handelsbeschränkungen zunehmen. Früher zog es die Unternehmen vor allem in kostengünstige Produktions­zentren. Heute spielen für sie andere Faktoren eine Rolle, die auch von den sich ändernden Verbraucherwünschen bestimmt werden – wie Reaktionsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und die Berücksichtigung von Umweltschutz und Menschenrechten.

Wie wird die Neuerfindung der Lieferketten die Volkswirtschaften der Welt verändern?

Ich glaube, dass die derzeitige Form der Globalisierung ihren Höhepunkt erreicht hat und dass die weltweiten Zentren der Billigproduktion ihre Vormachtstellung verlieren werden. Das wird das verarbeitende Gewerbe in den Industrieländern durch selektive Rück- oder Nahverlagerung verjüngen, während China den Binnenkonsum für selbst produzierte Güter ankurbeln muss.

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