Vogelperspektive von einem Containerschiff
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Reißen die Ketten?

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Globalisierung bleibt anfällig für politische und gesellschaftliche Veränderungen

Porträt von Volker Stollorz
Dr. Alan James
ist Mitglied des Institut d’Etudes Avancées in Paris/Frankreich und lehrt Internationale Geschichte am King’s College London/England. Sein Forschungs­interesse gilt dem sich wandelnden strategischen Kontext der frühen Neuzeit und den Ursprüngen moderner Staaten, Imperien und Kriege.

Die Zukunft der Globalisierung steht derzeit auf dem Prüfstand. Was waren ihre Wurzeln? 

Die Wurzeln der Globalisierung reichen zurück bis zur Migration des modernen Menschen aus Afrika. Eiszeitliche Artefakte aus fernen Ländern zeugen von unserer Faszination für das Ferne und Fremde. Die moderne Globalisierung lässt sich bis ins Jahr 1206 zurückverfolgen, als die gewaltsame Ausbreitung des Mongolenreichs Staaten und Volks­wirtschaften über ganz Eurasien hinweg miteinander verband. Die nachfolgenden Globalisierungswellen waren allesamt das Ergebnis des wetteifernden Strebens nach imperialer Autorität und Status.

Was waren damals die wichtigsten Treiber der Globalisierung?

Politischer Erfolg in Europa orientierte sich weitgehend an der legendären Macht des Römischen Reiches. Auf diese Weise konnte politische Legi­timität aufrechterhalten werden, und dadurch Stabilität und Wohlstand. Die Niederländer und Engländer haben im 17. Jahrhundert modern anmutende Handelsimperien geschaffen, deren koloniale Landwirt­schaft eher den europäischen Appetit auf Luxusgüter wie Kaffee oder Tabak befriedigte, als die hungernde Bevöl­kerung zu ernähren. Sie waren je­doch relativ unbedeutende Nachahmer der großen landgestützten und militarisierten Imperien wie der Mogulreiche Asiens oder Frankreich unter Ludwig XIV. Erst im 18. Jahrhundert haben Handelskraft und Finanzstärke einen eigenständigen politischen Wert erlangt, wie das British Empire zeigt.

Grafik einer reißenden bunten Perlenkette

Wie haben sich globale Lieferketten, wie wir sie kennen, entwickelt?

Handelswege über Land sind natürlich zeitlos. Was wir heute als Welthandel bezeichnen, begann jedoch mit dem Export europäischer maritimer Technologie.
Die Portugiesen haben im frühen 16. Jahrhundert mit ihren robusten Segelschiffen, unter Einsatz von Waffengewalt, ihre Transportdienste angeboten und sich in die bestehenden asiatischen Handels­netze integriert.

Was führte zum Niedergang dieser globalen Handelsbeziehungen?

Es gibt unzählige Gründe, einige davon sind umweltbedingt. Teils veränderte der technologische Wandel die Nachfrage und das Angebot mit großer Wirkung. Meist hing der Niedergang jedoch mit politischen Reaktionen zusammen. Bei Wirtschaftsbeziehungen mit ungleich verteilter Macht ist ein langfristiger Niedergang vorprogrammiert. Ein berühmtes Beispiel für die vorsätzliche Störung eines imperialen Handelssystems, das gleich drei Kontinente betraf, ist die Boston Tea Party von 1773.

Welche Parallelen gibt es zwischen heutigen und früheren globalisierten Volkswirtschaften?

Imperien und Handel dienten schon immer dem Binnenkonsum, innerer Stabilität und internationalem Ansehen – eine wichtige Parallele. Die Globalisierung bleibt anfällig für politische und gesellschaftliche Veränderungen und sie bietet wirtschaftlichen Interessen kaum Schutz vor möglichen Konflikten.

Was lässt sich aus der Geschichte der Globalisierung ableiten?

Die vielleicht wichtigste Lehre: Globalisierung ist nicht zwingend eine Kraft des Guten. Die erfolgreichsten Regierungen oder Staaten werden sie jedoch dazu machen, indem sie die Interessen der Regionen und Menschen, mit denen sie Handel treiben, anerkennen und berücksichtigen.

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