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Herausforderung Palmöl
Palmöl: Es findet sich in fast allem – von Pizza und Margarine bis hin zu Kosmetik und Waschmittel. Die Nachfrage nach Palmöl ist schnell gestiegen – doch Regenwälder, Tiere und die örtliche Bevölkerung zahlen einen hohen Preis. Während die Branche daran arbeitet, die Nachhaltigkeit zu verbessern, stellen wir die Frage, welche Fortschritte erzielt wurden und was als Nächstes passieren muss, um Umwelt und Bevölkerung zu schützen.
„Ich habe den Kampf der älteren Generationen gegen Unternehmen beobachtet, die den Wald übernehmen und daraus Ölpalmenplantagen machen wollten. Jetzt bewahre ich den Wald für zukünftige Generationen.“ Arifin ist Waldhüter in der indonesischen Provinz Kalimantan Barat. Abholzung, die Vertreibung der Bevölkerung, die Zerstörung des natürlichen Lebensraums seltener Arten – die Auswirkungen der Palmölproduktion hat in den vergangenen Jahren große öffentliche Sorge bis hin zu Aufrufen für den Boykott von Palmölerzeugnissen ausgelöst.
Warum ist Palmöl wichtig?
Dennoch ist Palmöl das am häufigsten verwendete Pflanzenöl der Welt. Es findet sich in der Hälfte aller verpackten Produkte. In den zehn Jahren von 2003 bis 2013 hat sich die globale Nachfrage nach Palmöl mehr als verdoppelt und steigt seitdem weiter an. Kein Wunder: Es ist vielseitig, leicht zu verarbeiten und die Erträge pro Hektar Land sind viel höher als bei Sonnenblumenöl, Rapsöl oder anderen Pflanzenölen. Es hilft dabei, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, und bietet Millionen Kleinbauern Arbeit. Darüber hinaus hat Palmkernöl auch einzigartige chemische Eigenschaften, die es zu einem wichtigen nachwachsenden Rohstoff machen.
Ein drängendes Dilemma
Wie lässt sich mit der wachsenden Nachfrage Schritt halten und dennoch die Umwelt schützen und die Rechte der einheimischen Bevölkerung respektieren? Ein Fortschritt war das Zertifizierungsverfahren des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO). Doch nach wie vor stammen gut 80 Prozent des Palmöls in der globalen Lieferkette aus nicht zertifizierter Produktion. Was muss als Nächstes geschehen? Wir fragen die wichtigsten Akteure der Wertschöpfungskette, wie man diese Herausforderung meistern kann.
Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit
Der Einzelhändler
Es beginnt im Supermarkt, etwa bei ALDI SÜD: Dort enthalten viele der Produkte, die von den Kunden jeden Tag gekauft werden, Palmöl oder Bestandteile, die daraus hergestellt wurden.
„Das meiste Palmöl, das wir verwenden, befindet sich in Nahrungsmitteln. Die Umstellung auf andere Öle ist oft nicht nachhaltiger, es verlagert das Problem nur. Seit 2015 sind alle Nahrungsmittel unserer Hausmarke in Deutschland, Österreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, Irland und Australien gemäß einem von drei RSPO-Lieferkettenmodellen zertifiziert. In anderen Ländern, in denen die Verfügbarkeit von zertifiziertem Palmöl weiterhin nur begrenzt ist, arbeiten wir daran, dieses Ziel bis Ende 2018 zu erreichen. Wir etikettieren viele Produkte im Geschäft nicht mit dem RSPO-Zertifikat. Einige enthalten nur winzige Mengen und die Verbraucher sind bereits mit diversen Siegeln konfrontiert. Da wollen wir nicht unnötig welche hinzufügen. Außerdem ist Palmöl nur eines der Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir haben ein Team von über 40 Leuten, die an Fragen der Unternehmensverantwortung arbeiten. Am Ende wollen wir, dass unsere Kunden darauf vertrauen, dass wir ihnen Produkte liefern, die nachhaltig sind. Das sollte die Basis sein. Wir streben einen Anteil von 100 Prozent an nachhaltigem Palmöl in allen Produkten an. Tatsächlich sind die letzten 20 Prozent immer schwer. Die Frage ist, wie weit man den Markt entsprechend bewegen kann. Die Zusammenarbeit mit Zulieferern und das Engagement in Multi-Stakeholder-Initiativen ist entscheidend, doch auch die vorwettbewerbliche Zusammenarbeit mit anderen Händlern ist sehr wichtig, da wir alle vor den gleichen Herausforderungen stehen.“
Der Hersteller
Der Hersteller von Schönheitsprodukten L’Oréal verwendet Palmöl und dessen Derivate, um Erzeugnisse wie Lippenstifte und Shampoo zu produzieren. Damit sichergestellt wird, dass seine Produkte nicht zur Abholzung beitragen, verfolgt das Unternehmen Palmölderivate bis zu ihrem Ursprung zurück.
„Wir möchten unseren Kunden versichern, dass das, was ihnen wichtig ist, auch uns am Herzen liegt. Palmöl steht weit oben auf der Liste. Wir sehen es als unsere Verantwortung, mit unseren Lieferanten zusammenzuarbeiten und ein Motor für Veränderung zu sein. Im ersten Schritt müssen wir wissen, woher unser Palmöl stammt. Daher haben wir viel in die Rückverfolgbarkeit investiert. Das bedeutet, dass wir vor Ort mit unabhängigen Organisationen zusammenarbeiten, um es zurückzuverfolgen und die Quelle nach ökologischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Nichts ist so wertvoll, wie sich vor Ort zu begeben. Die größte Herausforderung ist die gewaltige Zahl an beteiligten Akteuren von dem Zeitpunkt an, an dem die Frucht gepflückt wird, bis zu dem, wenn sie zu uns kommt. Wir haben noch nicht die hundertprozentige Rückverfolgbarkeit erreicht – es ist ein laufender Prozess. Doch je mehr wir wissen, desto mehr Einfluss können wir nehmen. Heute erwarten die Verbraucher dieses Niveau an Transparenz. Das ist es, was die Händler von uns verlangen und was wir von unseren Lieferanten verlangen. Als Nächstes braucht es einen gemeinsamen Willen, den Wandel in der Branche hin zu einer abholzungsfreien und verantwortungsbewussten Palmölproduktion voranzutreiben.“
Der Plantagenbesitzer
Golden Agri-Resources ist der führende Palmölkonzern in Indonesien und einer der größten Palmölproduzenten der Welt.
„Viel Druck, die Umwelt zu schützen, kommt von Kunden aus der EU und Nichtregierungsorganisationen, aber für uns ist es eine Arbeitsrealität. Man kann nicht langfristig in der Agrarwirtschaft tätig sein, wenn man sich nicht um die Umwelt kümmert, auf die man für den Anbau seines Naturprodukts angewiesen ist. Und wenn man in den örtlichen Gemeinden Misstrauen und Missgunst nährt, wird man nicht erfolgreich sein. Die Palmen stehen dort 20 bis 28 Jahre. Man muss es aus einer langfristigen Perspektive betrachten. 2016 haben wir gesagt, wir würden unser Palmöl bis zu seinem Ursprung zurückverfolgen. Es wird nicht leicht sein, unsere Zusage einzuhalten. Wir beschäftigen 170.000 Menschen in ganz Indonesien und haben mit Tausenden unabhängigen Bauern zu tun, viele ohne E-Mail-Adresse oder Mobiltelefon. Und doch wollen wir, dass sie verstehen, worum es bei diesen Anforderungen geht und sie inspirieren. Wir sind auch an komplizierten Verhandlungen mit Menschen aus örtlichen Gemeinden beteiligt, die sehr arm sind und die die Abtrennung eines Naturschutzgebiets als Hürde für ihre eigene Entwicklung sehen. Eine Zustimmung, die auf fundierten Informationen beruht, ist unverzichtbar. Es freut uns, zu sehen, dass andere in der Branche ebenfalls in diese Veränderungen investieren. Es gibt eine echte Dynamik und einen Wunsch, zusammenzuarbeiten, um Nachhaltigkeit zu erreichen.“
Der Aktivist
In Indonesien setzt sich die Nichtregierungsorganisation Greenpeace dafür ein, die weitere Zerstörung des Regenwalds zu verhindern, um die Artenvielfalt, die örtliche Bevölkerung und die Umwelt zu schützen.
„Große Unternehmen sind sich der ökologischen Kosten der Palmölindustrie bewusst geworden. Nirgendwo zeigen sich diese stärker als in Indonesien. 2015 hatten wir die schlimmsten Waldbrände seit fast 20 Jahren durch die jahrzehntelange Zerstörung der Wälder. Es bleibt die Frage: Unternimmt die Branche genug? Wir sind nicht gegen Palmöl oder die Palmölindustrie an sich. Doch obwohl die meisten großen Unternehmen Nachhaltigkeitsgrundsätze eingeführt haben, findet nicht-nachhaltiges Palmöl nach wie vor seinen Weg in unsere Lieferketten über kleine und mittelständische Firmen, die an der Waldzerstörung und Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Diese Betriebe müssen entweder zeitnah für ihre Schäden aufkommen oder vollständig vom Markt ausgegrenzt werden. Um dies zu erreichen, müssen die Unternehmen ihren Lieferanten die richtigen Fragen stellen. Dafür müssen sie ihre Lieferkette vollständig verstanden haben und entsprechend handeln. Lieferanten, die weiterhin gegen Verpflichtungen verstoßen, müssen begreifen, dass sie einen hohen Preis zahlen. Die Branche kann und muss diese Verpflichtungen entlang der Lieferkette durchsetzen, selbst bei wachsender Nachfrage. Es ist von wesentlicher Bedeutung, die Verbindung zwischen Palmölproduktion und Umweltschäden zu brechen.“
Das Chemieunternehmen
BASF bietet Inhaltsstoffe, die zur Herstellung von Kosmetika sowie Reinigungs- und Körperpflegeprodukten verwendet werden. Ein wesentlicher Rohstoff für diese Inhaltsstoffe ist Palmkernöl.
„Die Nachfrage nach Naturkosmetik und Körperpflegeprodukten hat in den letzten zehn Jahren einen Boom erlebt. Wenige Leute realisieren, dass diese Erfolgsgeschichte in großen Teilen auf Palmkernöl beruht. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man tief in die Chemie eintauchen. Verglichen mit anderen Pflanzenölen verfügt es über nahezu einzigartige Reihen von miteinander verbundenen Kohlenstoffatomen – die C-Ketten. Die mittellangen Ketten sorgen für schäumende Effekte, die kurzen Ketten sind perfekt für feuchtigkeitsspendende und glättende Effekte. Wir trennen das Öl in die verschieden langen C-Ketten auf und fügen funktionelle Gruppen hinzu, um die gewünschte Wirkung zu erhalten. Das Öl durchläuft bis zu zehn verschiedene Verfahren, bis man den endgültigen Inhaltsstoff erhält – sei es ein Tensid oder ein Weichmacher für Feuchtigkeitscremes. So können wir Inhaltsstoffe für Naturkosmetik auf Grundlage nachwachsender Rohstoffe anbieten. Doch ein weiterer Schritt ist erforderlich, um diese nachwachsenden Rohstoffe nachhaltig zu machen: die Zertifizierung. Dies gibt den Anwendern die Gewissheit, dass das Öl aus Plantagen und Fabriken kommt, die Wälder, Artenvielfalt und die Rechte der dort lebenden Menschen schützen. Es ist nötig, dass alle Stakeholder den RSPO-Standard mittragen und dessen Regeln strengstens umsetzen. Unser oberstes Ziel ist es, nur zertifiziertes und nachhaltiges Palmkernöl in der Wertschöpfungskette zu haben.“
Das Wachstumsdilemma
Nachgefragt: Der weltweite Verbrauch von Palmöl und Palmkernöl ist schnell von etwa 4 Millionen Tonnen in den späten 1970er-Jahren auf derzeit rund 70 Millionen Tonnen angestiegen. Ursachen dafür waren vor allem das Bevölkerungswachstum sowie Veränderungen im Verbraucherverhalten und der Energiepolitik.
Hauptverwender
Verbrauch: Bevölkerungswachstum, steigende Einkommen und Verstädterung, der Ersatz von Pflanzenölen mit geringerem Ertrag und seine Verwendung in Biokraftstoff haben die Nachfrage nach Palmöl angekurbelt. Der weltweite Palmölverbrauch hat sich seit den 1960er-Jahren alle zehn Jahre verdoppelt. 2007 wurde Palmöl zum weltweit marktbeherrschenden Pflanzenöl.
Landnutzung
Wachstumsgrenze: 95 Prozent der bestehenden Palmölplantagen befinden sich innerhalb des 10. Breitengrads nördlich und südlich des Äquators. Zwar steigt derzeit die Produktivität, doch die Wachstumsraten könnten sinken: Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Klima in vielen tropischen Regionen für die Ölpalmenzucht nicht mehr passen wird, insbesondere nach 2050.
2050 Schätzungen zum Wachstum
Weltbevölkerung: über 9 Milliarden
Notwendige Steigerung der Nahrungsmittelproduktion: 70 Prozent mehr als 2005
Palmölnachfrage: Bis 2050 könnten weltweit 264 bis 447 Millionen Tonnen benötigt werden. Indonesien könnte ungefähr die Hälfte der Nachfrage decken.
Quellen: United States Department of Agriculture; BASF estimates; RSPO Impact Report 2016; USDA 2011; Afriyanti et al., 2016; Paterson et al., 2017; FAO, 2009; Corley, 2009; Oil World Global Research and Analysis