23. Februar 2023

Der Boden unter unseren Füßen ist der größte terrestrische Kohlenstoffspeicher der Welt. Vorreiter unter den Landwirten und Agrarwissenschaftler arbeiten daran, dieses Potenzial zu nutzen. Ihre Erkenntnis: Klimaschutz und eine ertragreiche Ernte können Hand in Hand gehen.

Die Böden der Erde enthalten mehr Kohlenstoff als die Wälder und die Atmosphäre zusammen“, sagt Professor Rattan Lal. Seit ihren Anfängen vor 10.000 Jahren hat die Landwirtschaft diesen riesigen Kohlenstoffspeicher erschöpft, indem sie Wälder durch Felder ersetzt hat. „Wir sollten daher die Rekarbonisierung des Bodens als wesentlichen Teil der Lösung für den Klimawandel betrachten.“

 

Lal ist Ehrenprofessor für Bodenkunde an der Ohio State University/USA. Er betont, dass die Landwirtschaft naturpositiv werden muss. „Das bedeutet, mit weniger Mitteln mehr zu produzieren. Also einen effizienten Input im Blick zu haben, nicht nur die eingesetzte Menge.“ Zu viele Betriebe seien auf hohe Mengen an Düngemitteln und andere chemische Stoffe angewiesen, um rentable Erträge zu erzielen. Regenerative Verfahren seien verblüffend einfach: die Bodenbearbeitung minimieren, wassersparende Tröpfchen- anstelle von Oberflächenbewässerung sowie bodendeckende Pflanzen und landwirtschaftliche Reststoffe zur Nährstoffanreicherung einsetzen.

Profesor Rattan Lal, sitzt in einem Feld und misst verschiedene Werte der Erde.

Professor ­Rattan Lal hat 60 Jahre damit verbracht, die Geheimnisse von Böden zu entschlüsseln und Anbaumethoden zur Verbesserung der Bodengesundheit zu entwickeln.

„Und wir sollten einen geringeren Anteil des Bodens selbst nutzen“, fügt er hinzu. Eine geringere Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen durch eine effizientere Nutzung und veränderte Ernährungsgewohnheiten würde es ermöglichen, der Natur mehr Land zurückzugeben und so Milliarden Tonnen Kohlenstoff zu binden. In einigen Teilen der Welt sind bereits groß angelegte Projekte zum Schutz des Bodens im Gange. Im Rahmen des Naturschutzprogramms „Grüne Mauer“ in China entsteht der größte von Menschen geschaffene Wald der Erde. Nach Abschluss in den 2050er-Jahren soll er sich über 4.500 Kilometer erstrecken und das Vordringen der Wüste Gobi nach Süden verlangsamen. Die meisten Regionen verfügen jedoch nicht über die erforderlichen politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Strukturen, um solch weitreichende Änderungen der Landnutzung voranzutreiben. Die Gesundheit ihrer Böden hängt von Entscheidungen Millionen einzelner Landwirte ab. Das könnte der beste Ansatz für die nächste grüne Revolution sein.

 

Alte Bäume, neues Leben

Der australische Agrarwissenschaftler ­Tony ­Rinaudo hat seine berufliche Laufbahn damit verbracht, Landwirten im globalen Süden bei der Einführung nachhaltigerer Verfahren zu helfen. Seine Arbeit begann in den frühen 1980er-Jahren im westafrikanischen Niger. „Dort stand ein ökologischer Zusammenbruch kurz bevor“, sagt er zurückblickend. Durch Abholzung war der Boden ungeschützt, es herrschte Wasserknappheit und die Sahara rückte vom Norden her vor. Doch ­Rinaudos Bemühungen, Bäume zu pflanzen, schlugen fehl: „80 oder 90 Prozent der von uns gepflanzten Setzlinge gingen ein oder wurden zerstört.“

 

Er war kurz davor, das Projekt abzubrechen. „Dann bemerkte ich eines Tages einen niedrigen Busch am Straßenrand und sah mir das Ganze genauer an“, erinnert er sich. Der Strauch entpuppte sich, wie Millionen andere, als Baum, der aus einem Stumpf nachwuchs. „In diesem Augenblick änderte sich alles. Wir brauchten nicht mehrere Millionen Dollar und auch keine Wunderbaumart, die Dürreperioden und Menschen, die sie ausreißen, übersteht. Alles, was wir brauchten, lag uns buchstäblich zu Füßen.“

Tony Rinaudo steht im Vordergrund und spricht die Kamera an. Im Hintergrund stehen zwei Kinder und zwei Männer.

Der „Waldmacher“ Tony Rinaudo unterstützt Landwirte in Afrika und darüber hinaus, ihre Böden zu schützen, indem sie Bäume aus Stümpfen nachwachsen lassen, die bei der Landrodung zurückbleiben.

Zitat vom Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo: ,,Nach 20 Jahren hatten wir 200 Millionen Bäume, ohne einen einzigen zu pflanzen.“

Die nachgewachsenen Bäume verfügen über ein gut verankertes Wurzelsystem, das Wasser und Nährstoffe tief aus dem Erdreich ziehen kann. Daher haben sie eine viel höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als neue Setzlinge. Diese Erkenntnis veränderte ­Rinaudos Herangehensweise und er startete ein neues Projekt, das Landwirten Anreize dafür bot, einige wenige Bäume – 40 Stück pro Hektar – auf ihrem Land nachwachsen zu lassen. „Sie hielten die Idee für seltsam, aber manche erkannten, dass sie etwas Gutes bewirkt“, erklärt Rinaudo. „Mehr organische Substanz gelangte in die Böden, die Windgeschwindigkeit nahm ab, die Temperatur sank und einige alte Wildpflanzen kamen zurück.“

In den folgenden Jahren setzte sich Rinaudos Konzept der „von Landwirten verwalteten natürlichen Regeneration“ im Niger immer weiter durch. „Nach 20 Jahren hatten wir 200 Millionen Bäume auf 5 Millionen Hektar, ohne einen einzigen zu pflanzen. Und das bei einer Investition von etwa 2 US-Dollar pro Hektar“.
Ausgewachsene Bäume nehmen jedes Jahr etwa 25 Kilogramm Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf und noch mehr wird durch die regenerierten Böden gebunden. Rinaudo brachte daraufhin mit seinem derzeitigen Arbeitgeber World Vision Projekte in anderen afrikanischen Ländern auf den Weg, etwa in Äthiopien, Ghana und im Senegal. Heute beteiligen sich rund 25 Staaten daran, insbesondere aus Afrika. Aber auch Indonesien, Myanmar und Osttimor zählen dazu.

Eine Wüstenlandschaft mit einem einzelnen Baum

Filmtrailer „Der Waldmacher“ 

Tony Rinaudo