"Wir können das schaffen"
Weltweit sind Malariafälle nicht so stark zurückgegangen wie erhofft. Mancherorts nehmen sie sogar zu. Experte Justin McBeath bleibt dennoch optimistisch.
Das Wichtigste in Kürze:
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Impfstoffe allein reichen nicht aus, um Malaria zu besiegen. Es braucht eine Kombination aus Impfungen, Insektiziden, Medikamenten und Diagnoseverfahren, um die Krankheit effektiv zu bekämpfen.
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Trotz steigender Malariafälle aufgrund von Resistenzen, finanziellen Engpässen und der Coronapandemie gibt es positive Entwicklungen wie neue Insektizide, die Hoffnung geben.
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McBeath ist überzeugt, dass Malaria besiegt werden kann, und betont die Bedeutung von evidenzbasierten Maßnahmen und internationalen Kooperationen.
Malaria hält sich hartnäckig
Nach Angaben der WHO gab es im Jahr 2023 etwa 263 Millionen Malariafälle – 11 Millionen mehr als im Vorjahr – und an die 600.000 Todesfälle. Insektizide und behandelte Bettnetze haben sich als wirksamer Schutz erwiesen. Doch die Anopheles-Stechmücke, die den Malariaerreger überträgt, ist sehr anpassungsfähig. Das ist einer der Gründe, weshalb sich die Krankheit so hartnäckig hält.
Justin McBeath, CEO des Innovative Vector Control Consortium (IVCC) in Liverpool/Großbritannien, widmet sich seit 25 Jahren dem Kampf gegen Malaria. Er spricht über die Herausforderungen und Chancen und verrät, was ihn zum Weitermachen motiviert.
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Bringen neue Malaria-Vakzine den Durchbruch?
2023 wurden zwei Malariaimpfstoffe für Kinder zugelassen, weitere Vakzine sind in Entwicklung. Müsste das nicht bedeuten, dass Malaria besiegt ist?
Die derzeitigen Malariaimpfstoffe sind extrem wichtig, um die Zahl der Todesfälle zu verringern. Aber sie können die Übertragung von Malaria und die Auswirkungen der Krankheit nicht verhindern. Impfungen allein reichen daher nicht aus. Es braucht einen integrierten Ansatz – verschiedene Maßnahmen, die parallel eingesetzt werden. Wenn ein Impfstoff die Malariaübertragung eines Tages verhindern kann, könnte das die weitere Dynamik erheblich verändern. Aber das dürfte noch eine Weile dauern.
Werden Impfungen den Einsatz von Insektiziden überflüssig machen? Oder werden wir immer beides brauchen?
Wir brauchen definitiv beides. Betroffene Länder benötigen wirksame Maßnahmen wie Medikamente und Diagnoseverfahren. Und finanzielle Mittel, um eine Kombination lokal geeigneter Strategien umsetzen zu können. Folglich brauchen wir stichhaltige Daten, um darüber zu entscheiden, wo, wann und wie sich die Maßnahmen parallel einsetzen lassen. Und das alles in einem Umfeld, in dem die Ressourcen knapp sind. Es ist jedoch sehr wichtig, dass die Länder aus einer Reihe von Optionen entsprechend ihrem jeweiligen Bedarf wählen können.
Welche Präventionsstrategien sind am wirksamsten?
Der Rückgang der Malariafälle zwischen 2000 und 2015 ist zu 78 Prozent auf den Einsatz von Insektiziden zum Besprühen von Innenräumen und zur Behandlung von Moskitonetzen zurückzuführen. Als besonders wirksam erwiesen sich insektizidimprägnierte Bettnetze. Aber die Situation verändert sich stetig, und es sind diverse Entwicklungen zu berücksichtigen. Das betrifft etwa die Übertragung im Freien, die Resistenzen und den Klimawandel. Die Netze brauchen daher neue Wirkmechanismen, damit sie effektiv bleiben. Doch mit imprägnierten Netzen und Sprühanwendungen für Innenräume lässt sich das Problem der Übertragung im Freien nicht lösen. Deshalb braucht es noch weitere Maßnahmen.
Auf Kurs? Malaria-Verbreitung weltweit
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*GTS: Global technical strategy for malaria 2016–2030; Quelle: WHO estimates 2024
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Herausforderungen der letzten Jahre
Nach jahrelangen Fortschritten im Kampf gegen Malaria steigen die Infektionszahlen wieder an. Warum?
Das ist zum Teil der Coronapandemie und deren Auswirkungen auf das Gesundheitswesen der einzelnen Länder geschuldet, als Ressourcen anderweitig verteilt wurden. Hinzu kommen Resistenzen – gegen Medikamente und Insektizide – sowie eingeschränkte finanzielle Mittel und die damit zusammenhängenden Versorgungsengpässe. Finanzierungsschwierigkeiten wird es leider immer geben. Sie schränken die Mittel und Maßnahmen der Malariaprogramme ein.
Wie wird sich die Situation in den nächsten Jahren entwickeln?
Sie wird herausfordernd bleiben, zumindest hinsichtlich der Übertragungskontrolle. Es gibt aber auch positive Entwicklungen, etwa neue Insektizide, die in den kommenden fünf Jahren verfügbar sein werden. Diese Innovationen sind hilfreich, wenn es um das Thema Resistenzen geht. Aber hier geht es um Biologie, da sind Entwicklungen immer dynamisch. Die Verfügbarkeit von Impfstoffen wirft zudem die Frage auf, wie die verschiedenen Werkzeuge zur Malariabekämpfung sinnvoll kombiniert werden können. Hierfür müssen zunächst Daten gesammelt werden. Aber diese Herausforderung lässt sich bewältigen.
Inwiefern setzt sich die internationale Gemeinschaft für die Malariabekämpfung ein?
Alle Organisationen, mit denen wir arbeiten – seien es Länderprogramme, die WHO oder die Bill & Melinda Gates Foundation –, leisten hervorragende Arbeit und sind sehr engagiert. Aber Malaria ist nur eine von vielen gesundheitlichen Herausforderungen – auch Tuberkulose und HIV sind massive Probleme. Für den Global Fund, der Maßnahmen in allen drei Bereichen finanziert, ist die Priorisierung von Ressourcen zur Bekämpfung der drei Krankheiten eine enorme Herausforderung, noch bevor es an Detailfragen zu Malaria geht.
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Malaria durch den Klimawandel in weiteren Regionen verbreitet?
Niederschläge, Temperaturen und das Vorkommen von Moskitos sind nicht voneinander zu trennen. So kam es nach den verheerenden Überschwemmungen in Pakistan 2022 zu einem rapiden Anstieg der Malariafälle. Im Zuge des Klimawandels wird die Gefahr sehr wahrscheinlich überall dort zunehmen, wo es wärmer wird und Stechmücken mehr Brutmöglichkeiten haben. Allerdings nur, wenn Malaria bereits in der Bevölkerung verbreitet ist, da die Mücke die Überträgerin und nicht die Ursache der Erkrankung ist. Eine wachsende Stechmückenpopulation bedeutet also nicht, dass mehr Menschen an Malaria erkranken.
Die Länder brauchen wirksame Optionen und finanzielle Mittel, um passende Strategien vor Ort umsetzen zu können.“
Unverzichtbar im Kampf gegen Malaria: Entschlossenheit und Zuversicht
Sie sind seit 25 Jahren auf diesem Gebiet tätig: Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Fokus auf Malaria zu legen?
Biologie ist meine Passion. Schon als Kind habe ich mich für Insekten und Tiere interessiert und viel Zeit im Freien verbracht. Außerdem bin ich überzeugt, dass man etwas tun muss, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. An der Uni hat einer meiner Dozenten seine Arbeit über ein Programm zur Bekämpfung von Flussblindheit in Westafrika vorgestellt. Das hat mich sehr inspiriert und darin bestärkt, etwas Ähnliches zu machen – eine Kombination aus Wissenschaft, Tropenmedizin und humanitärer Hilfe. Für meinen Masterabschluss hatte ich die Gelegenheit, in Westafrika zu arbeiten und an insektizidbehandelten Moskitonetzen zu forschen. Dort konnte ich sehen, wie nützlich diese Netze sind.
Wann wird Malaria besiegt sein?
Die Zahl der Länder, in denen Malaria eliminiert werden konnte, nimmt langsam, aber stetig zu. In kleineren Ländern ist die Sache einfacher. Ich würde es als große Errungenschaft ansehen, wenn es bis 2040 nur mehr eine Handvoll stark betroffener Länder gäbe. Länder wie Nigeria, die Demokratische Republik Kongo sowie die gesamte Region Zentralafrika stehen noch vor großen Herausforderungen. Ermutigend ist, dass jedes Jahr Fortschritte erzielt werden. Eines ist völlig klar: Wir können dieses Ziel nur erreichen, wenn wir die verschiedenen Maßnahmen nutzen, evidenzbasiert einsetzen und mit entsprechenden Ressourcen und Investitionen fördern.
Wer in diesem Bereich arbeitet, sieht mitunter schreckliches Leid. Was motiviert Sie weiterzumachen?
Ich war noch nie unmotiviert. Ich glaube fest daran, dass wir Malaria letztlich besiegen werden, und daran gilt es festzuhalten. Als CEO bin ich für die Motivation unserer Mitarbeitenden verantwortlich, die ebenso engagiert und mit Leidenschaft bei der Sache sind. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen können.
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JUSTIN MCBEATH
ist seit 2023 CEO des Innovative Vector Control Consortium. Die gemeinnützige Organisation arbeitet mit der Industrie, dem öffentlichen Sektor und der Wissenschaft zusammen, um die Entwicklung innovativer Insektizide zu forcieren, die gegen von Insekten übertragene Krankheiten wirken. McBeath war international in verschiedenen Führungspositionen im Bereich der Entwicklung, Zulassung und Vermarktung von Lösungen zur Bekämpfung von Stechmücken und anderen Schädlingen tätig. Er hat einen Bachelorabschluss in Agrarzoologie und einen Masterabschluss in Medizinischer Entomologie.
Netze retten Leben
Als die Malariafälle weltweit zunahmen – vor allem aufgrund der Resistenz der Moskitos gegen die eingesetzten Insektenschutzmittel –, entwickelte BASF das insektizidbehandelte Netz Interceptor® G2 (IG2). Es tötet resistente Moskitos mit Chlorfenapyr, einer neuen Klasse von Insektiziden im Gesundheitswesen. Mit Unterstützung von Partnern wie der Gates Foundation und MedAccess wurden 2024 über 100 Millionen IG2-Netze an Länder geliefert, die von Malaria betroffen sind. Derzeit arbeitet BASF an der Entwicklung der nächsten Generation von Interceptor-Netzen.
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