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Risiko und Chance sind verschiedene Seiten einer Medaille

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Welche Risiken in den Lieferketten haben derzeit die größte Priorität?

Die Lieferketten stehen weiterhin von allen Seiten unter Druck. In den letzten Jahren gab es insbesondere pandemiebedingte Unterbrechungen in den Lieferketten. Dies führte zu einem Arbeitskräftemangel in Niedriglohnsektoren und einem veränderten Kaufverhalten der Konsumenten. Der russische Angriffskrieg verschlechtert die ohnehin schon sehr angespannte Lage weiter. Darüber hinaus hat neben Menschenrechts- und Umweltfragen die globale Erwärmung, die nichts von ihrer Dringlichkeit verloren hat, Auswirkungen auf Lieferkettenstrategien.

Wie können Unternehmen diese Risiken abmildern?

Unternehmen müssen dafür sorgen, dass ihre Lieferketten verschiedenen ­Störungs- und Schockszenarien besser standhalten können. Viele Unternehmen überdenken ihre bisherigen Lieferkettenstrategien und kehren den Trend von Lean, Low Cost und Just-in-Time teilweise um. Einige erhöhen ihre Bestände, bestellen Materialien früher und suchen nach zusätzlichen Lieferanten an anderen Standorten, um weniger abhängig von einer einzigen Quelle zu sein. Im gegenwärtigen geopolitischen Umfeld ist Friendshoring ein Trend: Dabei setzen Unternehmen vermehrt auf Verbündete, um ihre globalen Lieferketten umzugestalten.

Grafik einer bunten Perlenkette mit einer losen Perle

Führt dies zu einer Umstellung globaler auf regionale oder lokale Lieferketten?

Es gibt hier kein Schwarz und Weiß. Verlagert ein Unternehmen seine Produktion näher an den Heimatstandort, können die Kosten steigen, da inländische Arbeits­kräfte oft teurer sind. Das führt zu höheren Preisen für die Verbraucher. Auf der anderen Seite kann eine regionale Lieferkette, die im nahe gelegenen Ausland angesiedelt ist, Lieferungen deutlich beschleunigen, Transitzeiten verkürzen und weniger Kapital in den Beständen binden.

Welcher Stellenwert kommt globalen Lieferketten in einer unbeständigen Welt voller Risiken noch zu?

Multinationale Konzerne werden bedeutend bleiben, und das gilt auch für globalisierte Lieferketten. Unternehmen können Maßnahmen zur Risikominderung ergreifen, indem sie mit den Veränderungen in der Welt – einschließlich der geopolitischen – Schritt halten und ihre ­Geschäfts- und Lieferkettenstrategien variabel gestalten. Dafür braucht es einen sehr agilen Ansatz. Best Practices entstehen, wenn Strategien für wahrscheinlich eintretende Szenarien kontinuierlich getestet und weiterent­wickelt und daraufhin Erkenntnisse aus den Ereignissen der letzten Jahre angewendet werden.

Beeinträchtigt ein wirksames
Risikomanagement Wachstum oder Rentabilität?

Aus meiner Sicht ist es genau umgekehrt: Widerstandsfähigkeit und ein wirksames Risikomanagement sind Voraussetzungen für Wachstum und Rentabilität. Sie versetzen Unternehmen in die Lage, Krisen zu bewältigen, größere Verluste
zu vermeiden und ihre Bilanz zu schützen.

Bieten aktuelle Risiken auch ­Chancen für Unternehmen?

Risiko und Chance sind verschiedene Seiten einer Medaille. So etwa beim Klimawandel. Die Erderwärmung birgt viele Risiken für Unternehmen, wie Sachschäden aufgrund häufiger auftretender extremer Wetterereignisse und Naturkatastrophen, rechtliche und regulatorische Risiken sowie Risiken, die mit einer Umgestaltung der Geschäftsmo­delle und Produktpipelines einhergehen. Auf der anderen Seite gibt es ebenso viele Möglichkeiten für Unternehmens­wachstum, bahnbrechende Innovationen, gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit oder ein besseres Image, wenn Unternehmen beginnen, auf die Erreichung der Klimaneutralität hinzuarbeiten.

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