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Abfall ist ein Konstruktionsfehler

Professor Don Norman
ist Direktor der Organisation The Design Lab an der US-amerikanischen University of California und verfügt über akademische Abschlüsse und Praxiserfahrung in Ingenieurwesen, Psychologie und Design. Er ist Mitglied der National Academy of Engineers und Autor von The Design of Everyday Things: Psychologie und Design der alltäglichen Dinge. Er zählt zu den Begründern des Fachbereichs human-zentriertes Design (human-centered design).

Creating Chemistry: Warum produzieren wir so viel Abfall und warum gehen wir nicht besser damit um?
PROFESSOR DON NORMAN: Viele Produktentwickler konzentrieren sich auf die technischen Probleme des Recyclings und denken dabei selten an die beteiligten Menschen und Systeme im weiteren Sinne. Probleme beim Recycling sind jedoch nur Symptome einer falschen Herstellung – etwa von Dingen, die nicht wiederverwendet werden können oder sich nur schwer reparieren lassen. Außerdem werden Dinge bewusst so entworfen, dass sie höchstens ein paar Jahre halten, zum Beispiel Smartphones. Oft werden wiederverwertbare Materialien auch so verklebt, dass sie später nicht mehr voneinander getrennt werden können.
Was wäre ein besserer Ansatz?
Wir sollten aus menschlicher Perspektive an diese Aufgabe herangehen. Ein Design, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, lindert nicht die Symptome, sondern löst das Kernproblem. Man muss über alle beteiligten Personen und das gesamte System nachdenken. Gleichzeitig müssen wir die Art und Weise, wie Menschen mit ihm interagieren, verstehen und ständig Prototypen für mögliche Lösungen entwickeln. Die derzeitigen Abfallwirtschaftssysteme in den USA sind ein hervorragendes Beispiel für den Mangel an human-zentriertem Design: Es ist für Verbraucher fast unmöglich zu begreifen, wie sie Produkte des täglichen Lebens und Verpackungen wiederverwerten sollen.
Welche Designansätze sind am nützlichsten, um Produkte und Materialien aus dem Abfallstrom herauszuhalten?
Die drei wichtigsten Ansätze sind Reparierbarkeit, Erweiterbarkeit und Wiederverwendung. Man denke zum Beispiel an Autos. Warum kann ich mein altes Auto nicht aufrüsten und neue Sicherheitsausstattung einbauen? Warum kann es nicht später zur Wiederverwendung seiner Einzelteile in die Fabrik zurückgeschickt werden? Weil das Geschäftsmodell der Autoindustrie darin besteht, durch den Verkauf von Neuwagen Gewinne zu erzielen. Das Problem liegt im System.
Mit wem müssen Produktentwickler zusammenarbeiten, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen?
Mit allen! Kunststoff kommt in einer so großen Vielzahl von Materialien vor, dass man nur schwer überblicken kann, was sich recyceln lässt und was nicht – wobei jeder Recycling-Standort anderen Regeln folgt. Herauszuheben ist die Softdrink- und Bierindustrie, die leicht zu recycelnde Aluminiumdosen eingeführt hat. Im Laufe der Zeit haben die Designer festgestellt, dass man diese immer dünner machen kann, weil die Flüssigkeit im Inneren einen Druck nach außen erzeugt und das Aluminium unter Spannung hält. In diesem Fall haben Designer, Hersteller, Logistikunternehmen und Einzelhändler gemeinsam Verbesserungen entwickelt.
Wie kann Design den Dingen in unserem Leben einen Mehrwert verleihen, sodass wir sie länger schätzen?
Beim Design geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Gefühle. Eine emotionale Reaktion erfolgt auf drei Ebenen. Erstens auf der Instinktebene als unmittelbare Reaktion auf Form oder Oberflächengestaltung. Zweitens auf der Verhaltensebene, also bezüglich unserer Erwartung, wie sich der Gegenstand uns gegenüber verhalten wird. Und drittens auf der Reflexionsebene – das beinhaltet unsere bewussten Gedanken zu Vergangenheit, Gegenwart oder Prognosen für die Zukunft. Aber man kann die Dinge nicht so gestalten, dass sie geliebt werden; dafür bedarf es Erinnerungen und Geschichten, die sich im Lauf der Zeit aus dem Gebrauch heraus entwickeln.