800 Millionen
Menschen sind übergewichtig
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Würde ein Zeitreisender aus den 1950er Jahren heute in einem westlichen Supermarkt landen, er würde seinen Augen nicht trauen: Spargel, Kirschen und Birnen ganzjährig erhältlich; mikrowellengeeignete Burger hier, Regale voller Müsli dort. Der Anblick ist beeindruckend, aber diese Fülle hat ihren Preis.
Experten sind sich einig, dass unser gegenwärtiges Ernährungssystem nicht funktioniert. Schließlich leben wir in einer Welt, in der fast 800 Millionen Menschen fettleibig sind, während eine ähnliche Zahl – 821 Millionen – noch immer Hunger leidet. Schlechte Ernährung geht einher mit Mangelerscheinungen und Krankheiten, und nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist jedes Land betroffen. In der Europäischen Union gelten je nach Land 30 bis 70 Prozent der Erwachsenen als übergewichtig, 10 bis 30 Prozent sogar als fettleibig.
800 Millionen
Menschen sind übergewichtig
821 Millionen
Menschen sind chronisch unterernährt
25 Prozent
der weltweiten Treibhausgasemissionen werden durch unser Ernährungssystem verursacht
Unsere Ernährung schadet nicht nur unserer eigenen Gesundheit, sondern auch unserem Planeten. In einem Bericht aus dem Jahr 2012 stellte der World Wide Fund For Nature (WWF) fest, dass wir so leben, als stünde uns ein zusätzlicher Planet zur Verfügung. Bei unserem aktuellen Tempo würden bis 2030 nicht einmal zwei zusätzliche Planeten ausreichen. Nehmen wir nur unseren Verzehr von Rindfleisch als Beispiel: Es ist ein alltägliches Lebensmittel für eine wachsende Zahl von Menschen, benötigt aber pro Proteineinheit 20-mal mehr Land und führt zu 20-mal mehr Emissionen von Treibhausgas als Bohnen oder Linsen.
Da westliche Ernährungsweisen in sich schnell entwickelnden Ländern immer beliebter werden, wächst die Nachfrage nach Fleisch. Tim Searchinger, Senior Fellow am World Resources Institute in Washington DC/USA zieht folgenden Schluss: „Die Menschen, die heute große Mengen Rindfleisch und Lamm essen, müssen ihren Verbrauch auf einem niedrigeren Niveau halten, sodass genügend Fleisch produziert werden kann, damit andere ein wenig mehr essen können.“ In Afrika südlich der Sahara zum Beispiel könnten viele Menschen von dem Eiweiß und Eisen profitieren, das dem Körper durch den Verzehr von mehr Fleisch zugeführt wird.
Aktuelle Trends deuten darauf hin, dass vor allem bei jungen städtischen Konsumenten das Bewusstsein wächst, dass wir weniger Fleisch essen müssen. Es gibt einen Anstieg bei den Flexitariern – Menschen, die sich hauptsächlich vegetarisch ernähren, aber gelegentlich Fleisch oder Fisch essen. Eine Umfrage im März 2019 im Vereinigten Königreich ergab, dass 14 Prozent der Briten sich als Flexitarier bezeichnen. Das Land hat sich auch dem Veganismus geöffnet: 2018 waren 16 Prozent aller neu eingeführten Lebensmittel vegan, mehr als in jedem anderen Land. Der Meatfree Monday hat sich in den letzten zehn Jahren in mehrals 40 Ländern in verschiedenen Varianten verbreitet.
Die Lebensmittelindustrie hat schnell gehandelt, um die wachsende Nachfrage nach Fleisch- und Milchersatz mit innovativen Produkten zu decken. Pflanzliche Milch hat sich mit einer Vielzahl von Alternativen etabliert und Lebensmitteltechniker arbeiten daran, dass der Burger auf Basis von Sojaproteinen geschmacklich dem Burger aus Rindfleisch so nah wie möglich kommt. Es ist das Leghämoglobin in Soja mit dem eisenreichen Molekül Häm, das diesen Burgern ihren fleischigen Geschmack verleiht. Zudem wird derzeit daran gearbeitet, im Labor gezüchtetes Fleisch auf den Markt zu bringen – von laborgezüchteten Hähnchennuggets bis hin zu künstlichen Fischstäbchen.
Haben diese Trends unter dem Strich einen positiven Effekt? Möglicherweise, aber wie Michael Siegrist, Professor für Konsumentenverhalten an der ETH Zürich in der Schweiz, betont, wird sich durch den Verzehr von Soja oder Tofu bei einer ansonsten nicht nachhaltigen Ernährung die Lage nicht verbessern. „Wir wissen nicht, ob die Menschen ihren Fleischkonsum reduzieren, indem sie Rindfleisch durch diese neuen Produkte ersetzen, oder ob sie diese neuen Produkte zusätzlich zu Fleisch essen“, sagt er. Und nicht jedes neue gesunde Lebensmittel ist nachhaltiger: Mandelmilch zum Beispiel, ein beliebter Milchersatz, benötigt beim Anbau der Pflanzen sehr viel Wasser.
Die Wahl der Lebensmittel hängt von vielen Faktoren ab – Wohlstand, Kultur, Verfügbarkeit und persönlichem Geschmack. Es gibt keine einheitliche Ernährung, die für alle Menschen auf der ganzen Welt gesund und nachhaltig ist. Eine mögliche Lösung: Menschen in Ländern mit größerer Auswahl personenbezogene Empfehlungen zu geben.
Laut einer aktuellen Studie der Rabobank, eines niederländischen Unternehmens für Finanzdienstleistungen, das weltweit führend in der Finanzierung von Nahrungsmitteln und Landwirtschaft sowie im nachhaltigkeitsorientierten Bankgeschäft ist, wird die personalisierte Ernährung zu einem entscheidenden Faktor werden. Die zunehmende Fähigkeit, Gesundheitsprobleme mit körperlichen Eigenschaften wie Genen oder auch mit Darmbakterien zu verknüpfen, macht dies möglich. Mithilfe von 3D-Druck können nun Lebensmittel auf der Grundlage spezifischer persönlicher Ernährungsbedürfnisse angeboten werden, sei es für Sportler oder Menschen mit medizinischen Problemen.
Für die breitere Bevölkerung könnte der Wert personalisierter Ernährung darin liegen, dass sie einen neuen, überzeugenderen Weg zu einer gesunden, nachhaltigen Ernährungsweise eröffnet. „Bei personalisierter Ernährung geht es darum, zu messen, einzugreifen und eine Verhaltensänderung zu unterstützen“, sagt François Scheffler, Senior Vice President Global Human Nutrition bei BASF, Singapur. „Wenn man verlässliches Feedback zu den Auswirkungen dessen, was man isst, auf die eigene Gesundheit erhält, kann man etwas dagegen tun.“
Fitness- oder Diät-Apps helfen dem Anwender bereits, die Kalorien und Nährstoffzufuhr zu optimieren. Aber es entstehen immer mehr spezialisierte Produkte und Dienstleistungen, wie beispielsweise das Omega-3-Index-Testkit von BASF. Das Kit nutzt die Trockenblut-Technologie, um den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren genau zu messen. Diese haben nachweislich viele gesundheitliche Vorteile, wie etwa das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Mit diesen Informationen können Verbraucher ihren Speiseplan anpassen und die Ergebnisse überwachen, um sicherzustellen, dass etwaige Ernährungsumstellungen auch wirklich helfen.
An der Empfehlung, mehr Gemüse und weniger Hot Dogs zu essen, wird sich nie etwas ändern. Jeder weiß das. Die jüngsten Ernährungstrends und Produktinnovationen geben zwar Anlass zur Hoffnung, aber wir brauchen einen großen Werkzeugkasten, wenn wir die globale Ernährungsweise verändern wollen. Personalisierte Ernährungsdaten werden vielleicht, wie Scheffler nahelegt, effektiver sein, um das Verhalten zu verändern, als das vergleichsweise stumpfe Instrument allgemeingültiger Ernährungsempfehlungen. Dies kann am Ende zu der dringend benötigten Neuausrichtung der Ernährungsweise beitragen.
„Wenn man sich auf das beschränkt, was man wirklich benötigt, verbraucht man viel weniger, und dadurch wären diese Kalorien für andere verfügbar“, sagt Scheffler. „Wir müssen die richtigen Dinge für die richtigen Leute produzieren. Das ist gut für die Umwelt, hat aber auch den gesellschaftlichen Nutzen, die Gesundheitskosten zu senken. Denn Menschen, die sich besser ernähren, können auch ein längeres und aktiveres Leben führen.“
Natürlich ist eine bessere Ernährung nur ein Aspekt bei diesem Thema. Entscheidend ist auch, wie wir Lebensmittel produzieren. Wie muss sich die Landwirtschaft verändern, um die heutigen Herausforderungen zu meistern?
Essen ist ein emotionales Thema. Es macht nicht nur satt, sondern spielt auch eine zentrale Rolle in unserem Sozialleben und unserer Kultur. Daher ist es nicht so einfach, seine Ernährungsweise zu ändern. Sara Roversis gemeinnützige Organisation möchte die Nachhaltigkeit im globalen Ernährungssystem verbessern und gleichzeitig Lebensmittel als die primäre Form des kulturellen Ausdrucks anerkennen. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie man sich sowohl ausgewogen und nachhaltig ernähren als auch das Essen genießen kann.
Uns treibt nicht an, was richtig ist, sondern der Genuss und unsere eigene Vergangenheit. Deshalb ist es schwierig, sein Verhalten zu ändern. Denken Sie zum Beispiel an große Sportveranstaltungen, wie viel ungesundes Essen Sie dort vorfinden, etwa Hot Dogs, Hamburger und Limonade. Doch hier haben Menschen Spaß und teilen positive Gefühle mit Verwandten und Freunden, sodass ungesunde Nahrung mit positiven Lebenserfahrungen verknüpft ist. Deshalb arbeiten wir mit Sponsoren zusammen, um sie auf den Schaden aufmerksam zu machen, den sie vielleicht unbemerkt verursachen.
Es geht nicht nur um Wissen, sondern auch um die Denkweise. In den letzten zehn Jahren hat sich alles auf Form und Effizienz konzentriert, auf die Herstellung der perfektenrunden Tomate, ohne auf ihren Geschmack oder ihre Saftigkeit zu achten. Was wäre, wenn wir morgen anfangen würden, ein Produkt nur noch nach seinem Geschmack zu beurteilen? Wenn Sie dort anfangen und die Sache von hinten aufrollen, werden auch der Boden und die Anbaumethoden anders und die Vertriebsketten kürzer.
Hier geht es nicht nur um Zutaten, sondern auch um Kultur – wie man teilt und wann man isst. Nahrung ist Teil unserer DNS. Die gesündesten Ernährungsweisen sind diejenigen, die am tiefsten in Geschichte und Tradition verwurzelt sind. Früher war die Ernährung mehr mit der Gesundheit verbunden, als Ausgangspunkt für die Medizin, sodass traditionelle Ernährungsweisen einen gesünderen Ursprung haben. Der richtige Ansatz besteht nicht darin, zu sagen, dass jeder sich mediterran ernähren sollte, ohne den Kontext zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass wir Lebensmittel essen, die gut für uns und den Planeten sind und im Einklang mit der Kultur des Orts stehen, an dem wir leben.
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