Stefan Lamotte in seinem Labor mit den hochleistungsfähigen
HPLC-Geräten (HPLC = High Pressure Liquid Chromatography).
Was hält die Welt im Innersten zusammen? Schon als Kind war Stefan Lamotte fasziniert davon herauszufinden, was hinter den Dingen steckt. Seine Neugier führte ihn zur Promotion über Chromatographie, einem chemischen Analyseverfahren, mit dem die einzelnen Bestandteile von Stoffgemischen getrennt und genau bestimmt werden. So findet er Antworten darauf, warum etwas so funktioniert, wie es funktioniert – und sorgt heute als Experte für Analysen mit seinem Team dafür, die Qualität unterschiedlicher BASF-Produkte zu sichern.
Man muss schon klar sagen: Wenn wir in der Analytik einen schlechten Job machen würden, kämen Menschen zu Schaden. Denn sehr viele unserer Produkte wie zum Beispiel Superabsorber für Windeln, Nahrungsergänzungsmittel oder Waschmittelzusätze stehen in direktem Kontakt mit uns Menschen. Logisch, dass wir unsere Produkte bestmöglich kontrollieren. Dafür müssen unsere Analysemethoden sehr, sehr gut sein. Dieser großen Verantwortung stelle ich mich gerne. Wir haben ein starkes Netzwerk an Expertinnen und Experten und jede Menge Erfahrung, die wir einbringen und damit dafür sorgen, dass unsere Produkte sicher sind. Das ist ein sehr gutes Gefühl.
Die Chemie ist einfach unglaublich komplex. Je mehr man weiß, desto mehr merkt man, wie wenig man eigentlich weiß. Und dann möchte man immer mehr wissen. Seit ich mich im zweiten Semester zum ersten Mal mit der Chromatographie, also der Trennung eines Stoffgemisches, beschäftigt habe, wusste ich: Das ist das, was ich machen möchte. Ich war vom ersten Moment an fasziniert von der Technologie und der Möglichkeit, durch die Auftrennung tiefer in die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Stoffen einzusteigen. Auch heute, nach 30 Jahren in diesem Bereich, kommt es mindestens einmal in der Woche vor, dass ich etwas nicht verstehe – das treibt mich an. Oft genug kommt mir die Idee zur Lösung beim Einschlafen oder im Gespräch zu einem ganz anderen Thema.
Stefan Lamotte in seinem Labor mit den hochleistungsfähigen
HPLC-Geräten (HPLC = High Pressure Liquid Chromatography).
Ich bin erst relativ spät, mit Mitte 40, zu BASF gekommen. Rückblickend war das ein echter Glücksfall. Nach meiner Promotion habe ich als Experte für Flüssigkeitschromatographie (HPLC) viele Jahre in einem kleinen, spezialisierten Unternehmen gearbeitet und dort Trennsäulen, die entscheidend für die Trennung einer Probe sind, entwickelt und vermarktet. In diesem Job konnte ich mir ein breites Netzwerk aufbauen. Nachdem ich während der Wirtschaftskrise 2008 in Kurzarbeit gehen musste, half mir dieses Netzwerk, eine Anstellung bei BASF als HPLC-Experte zu finden. Die Chemie hat auch im übertragenen Sinn sofort gestimmt. Heute nutze ich die Trennsäulen, die ich damals selbst entwickelt habe, hier im BASF-Labor immer noch für bestimmte Anwendungen.
Jede neue Fragestellung und jede Probe stellen uns vor neue Herausforderungen, und gerade das finde ich so spannend. Zum Beispiel müssen wir sicherstellen, dass in Monomeren, die später für Polymere in Kinderspielzeug verwendet werden, keine Polyaromatischen Kohlenwasserstoffe enthalten sind. Wir schauen uns die Stoffe bei unseren Analysen bis ins kleinste Detail an und gehen dabei in manchen Fällen bis in den Bereich eines Milliardstel, um ganz sicher zu sein, dass ein Produkt keine Verunreinigungen enthält – das ist, als würden wir das Eichenblatt auf der Ein-Cent-Münze auf dem gesamten BASF-Werksgelände in Ludwigshafen suchen; und das ist in etwa so groß wie 1400 Fußballfelder.
Das Schönste ist für mich, etwas zu ermöglichen, was vorher noch nicht möglich war. Wenn zum Beispiel zum ersten Mal die Trennung einer Substanz aus einem komplexen Gemisch gelingt, ist das ist ein überwältigender Moment. Das fühlt sich dann schon an wie ein mini „Man on the moon“-Moment, denn bei der ersten erfolgreichen Trennung begeben wir uns auf Neuland. Indem wir einzelne Komponenten separieren, generieren wir wertvolle Informationen über deren Eigenschaften und Wechselwirkungen. So sorgen wir für ein besseres Verständnis chemischer Verbindungen und tragen dazu bei, dass Produktionsprozesse optimiert werden und neue Produkte auf den Markt kommen. Wir haben zum Beispiel eine Analysemethode entwickelt, die hydrophobe Verunreinigungen in einem pharmazeutischen Hilfsstoff bestimmen und so die Qualität des Produkts steigern konnte. Unser Kunde, ein großes Pharmaunternehmen, war sehr zufrieden.
BASF versorgt die Weltgesundheitsorganisation WHO mit Vitamin-A, um damit Grundnahrungsmittel wie Pflanzenöle aufzuwerten und der lebensgefährlichen Unterversorgung mit dem Vitamin A in armen Regionen entgegenzuwirken. Die Ölmühlen-Betreiber fügen ihrem Öl das von BASF hergestellte Vitamin-A hinzu und testen anschließend, ob es den optimalen Vitamin-Gehalt hat. Bei Sojaöl funktionierte die Bestimmung des Vitamin-A Gehalts mit dem mitgelieferten Schnelltest, einer Farbreaktion, nicht.
Um dieses Problem zu lösen, haben wir in Zusammenarbeit mit einem Doktoranden der Universität Gießen eine neue Analysen-Methode entwickelt. Dieser einfache Test bestimmt den Vitamin-A Gehalt indem mittels Dünnschichtchromatographie das Vitamin-A von der Ölmatrix abgetrennt wird. Für die Trennung benötigt man als Lösungsmittel geringe Mengen an Wasser und Aceton sowie eine frei zugängliche App und ein Mobiltelefon für die Auswertung. Damit ist der Test umweltfreundlicher und kostengünstiger als das herkömmliche Verfahren. Wir haben die neue Methode patentiert, damit niemand sie kommerzialisieren kann und sie den Menschen frei zur Verfügung steht. Ich finde es einfach beeindruckend, wie vielfältig die Anwendungsgebiete der Chromatographie sind.
Im Labor selbst arbeiten wir daran, bei unseren Analysen möglichst wenig Energie und Rohstoffe zu verbrauchen. Zum Beispiel ersetzen wir bei manchen Verfahren zumindest teilweise organische Lösemittel durch überkritisches CO2, also Kohlenstoffdioxid, das unter hohem Druck und hoher Temperatur Eigenschaften von Gas und Flüssigkeiten vereint. Damit können wir unsere Trennungen beschleunigen und gleichzeitig verringert sich unser Lösemittelabfall.
Ebenso prüfen wir, inwieweit wir unsere HPLC-Anlage miniaturisieren können, also viel kleiner machen, und so viel weniger Lösemittel und Energie für die Analysen benötigen. Auch die Automatisierung schreitet immer weiter voran. Mit Robotern, die wir selbst programmiert haben, arbeiten wir schon seit einigen Jahren erfolgreich Seite an Seite im Labor. Diese bereiten für uns die Proben vor und führen einfache Reaktionen vor der Chromatographie durch.
Ich würde sagen, dass die Bedeutung der Analytik im Allgemeinen gerade wächst. Die Gesellschaft steht vor vielen großen Herausforderungen, zum Beispiel wenn es um toxische Bestandteile in Produkten geht, und wie wir diese Verunreinigungen bestimmen und letztlich eliminieren können. Es motiviert mich und meine Kolleginnen und Kollegen enorm, Lösungen für diese regulatorischen und umweltanalytischen Herausforderungen zu finden und damit einen Teil für eine nachhaltige Zukunft beizutragen.