Die Eigenschaften von Chemikalien ganz genau erforschen, ihre molekularen Strukturen entdecken und damit helfen zu verstehen, wie sie das Erbgut verändern oder gar Krebs auslösen können. Das alles geht mit der Massenspektrometrie. Ein Experte dafür ist Shouxun „Shawn“ Zhao, geboren und aufgewachsen in China, und heute bei BASF in den USA. Erfahre mehr über Shawns Werdegang und die Herausforderungen, denen er sich heute stellt.
Was ist Massenspektrometrie und wie bist du zu dieser Technologie gekommen?
Dazu möchte ich ein bisschen ausholen: Polychlorierte Biphenyle (PCBs) sind Umweltschadstoffe. Wenn PCBs in den menschlichen Körper gelangen, können sie durch Enzyme verstoffwechselt werden, was zu einer Veränderung der menschlichen DNA führen und sogar Krebs beim Menschen auslösen kann. In meiner Doktorarbeit ging es konkret darum, mit Hilfe verschiedener spektrometrischer Techniken, darunter auch der Massenspektrometrie, DNA-Schäden zu identifizieren, die von polychlorierten Biphenylen und ihren Stoffwechsel- und Abbauprodukten ausgelöst werden. Ich habe also diese unbekannten Strukturen und die Art und Weise, wie sie die DNA verändern, mit Hilfe von Massenspektrometrie aufgeklärt. Aus diesem Grund habe ich vor mehr als 25 Jahren mit der Forschung an dieser Technologie begonnen.
Mithilfe der Massenspektrometrie können die Molekularstrukturen von Chemikalien identifiziert werden. Wenn wir uns mit unbekannten Chemikalien befassen, wollen wir oft deren Strukturen kennen, weil sie Aufschluss über die chemischen und toxikologischen Eigenschaften der Chemikalien geben können. Die Molekularstrukturanalyse erlaubt mit verschiedenen spektroskopischen Techniken die Details unbekannter Strukturen aufzudecken. Bei der Synthese und Entwicklung neuer Produkte ist die genaue Kenntnis dieser Strukturen unabdingbar.
Kannst du uns ein Beispiel geben?
Gerne. BASF konnte gemeinsam mit ihrem Partner MedAccess ein neues Produkt zum Schutz vor Malaria entwickeln. Interceptor® G2 besteht aus einem Moskitonetz, welches mit einem neuartigen Insektizid behandelt wird. Mit unseren Analysen haben wir einen Beitrag zur Entwicklung des Wirkstoffs geleistet.
Interceptor® G2 ist ein langwirkendes insektizid-behandeltes Moskitonetz auf Basis einer neuen Klasse von Insektiziden. Malaria ist eine der globalen Hauptursachen für Armut. Viele der bekannten Insektizide haben mittlerweile Resistenzen entwickelt, sodass Interceptor® G2 ein großes Potential hat, um die Malariaausbreitung in den Ländern südlich der Sahara einzugrenzen.
Welche Position hast du heute bei der BASF inne?
Meine derzeitige Position bei BASF ist die eines Senior Principal Scientist. Ich gehöre zum North America Core Expert Team und kümmere mich um die Zusammenarbeit innerhalb der BASF und mit Universitäten. Außerdem bin ich technischer Manager und leite das Team für Strukturaufklärung. Ich habe sechs Teammitglieder mit Fachwissen in verschiedenen technischen Bereichen, einschließlich Massenspektrometrie. Wir setzen verschiedene Technologien ein, um unbekannte Strukturen zu identifizieren. So unterstützen wir die BASF-Forschung und die Produktion. Wenn zum Beispiel ein BASF-Produktionsstandort eine unbekannte und unerwartete Verunreinigung in einem seiner Produkte feststellt, hilft mein Team bei der Aufklärung, damit wir die Produktion wieder in Gang bringen können. Wenn eine Anlage abgeschaltet werden muss, hilft unser Team damit, den finanziellen Schaden für BASF so gering wie möglich zu halten. Verunreinigungen können von allem möglichen herrühren, auch von Nebenprodukten oder Rohstoffen, die nicht rein genug sind.
Außerdem liefern wir Daten, die BASF für die Zulassung globaler Produkte braucht. Wir konnten durch unsere Arbeit beispielsweise Daten liefern, um das neue Kunststoffadditiv Irgastab® for plastics anzumelden. Bei Tinuvin® 312, einem Lichtschutzmittel, hat mein Team Daten gesammelt, die dafür gesorgt haben, dass BASF eine Genehmigung für Anwendungen mit Lebensmittelkontakt erhalten hat.
Im Rahmen meiner Arbeit treibe ich auch die Massenspektrometrie-Technologie für die Region Nordamerika voran und baue eine globale Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen am BASF-Standort in Ludwigshafen und bei BASF in Asia Pacific auf. Wir kooperieren mit Universitäten, vor allem in Nordamerika, und arbeiten sehr eng mit Professorinnen und Professoren des North America Open Research Alliance (NORA) Netzwerks und lokaler Universitäten zusammen. Ich bin auch federführend bei der Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF).
Was sind die größten Herausforderungen und Chancen, die du heute in deiner Position siehst?
Bei den vielen Themen, die ich bearbeite, kann es ganz schön herausfordernd sein, immer alle Bälle in der Luft zu halten und allen Auftraggebenden gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass die vielfältigen Fragestellungen, die bei uns eingehen, unterschiedlichste analytische Untersuchungsmethoden benötigen. Die Entwicklung einer passenden Methode ist extrem spannend aber nicht immer einfach.
Es gehört zu meinen Aufgaben, neue Technologien bei BASF einzuführen. Daher reise ich häufig zu wissenschaftlichen Konferenzen, um neue analytische Technologien kennenzulernen, von denen BASF profitieren könnte. Regelmäßig tausche ich mich mit anderen Expertinnen und Experten aus. Da wir viele Partnerschaften mit Universitäten pflegen, reise ich auch immer wieder für Projekt-Diskussionen zu den entsprechenden Hochschulen.
Besonders interessant finde ich die verstärkte Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) für die Chemie. Zum Beispiel leite ich derzeit eine Zusammenarbeit der BASF mit der National Science Foundation (NSF) für das SPEED-Programm (Sustainable Polymers Enabled by Emerging Data Analytics). Ziel dieses Programms ist die Entdeckung und Herstellung neuer nachhaltiger Alternativen zum Ersatz bestehender Polymere durch modernste KI/ML-Datenwissenschaft. Der Gedanke, dass wir KI-Modelle zur Vorhersage der Beziehung zwischen chemischer Struktur und Leistung aufbauen und damit die Entwicklung neuer Produkte bei BASF drastisch beschleunigen könnten, ist sehr spannend.
Woher kommt dein Interesse an der Chemie?
In der Schule war ich von der Wissenschaft fasziniert. Ich hatte das Glück, einen wunderbaren Chemielehrer zu haben, der mir zeigte, wie chemische Reaktionen funktionieren und wie sich eine Materie durch Chemie in eine andere verwandelt. So habe ich meine Liebe zur Chemie entdeckt, und das ist einer der Gründe, warum ich mich für ein Chemiestudium in Peking entschieden habe.
Wie bist du zur BASF in Nordamerika gekommen?
Ich habe an der Tsinghua-Universität in Peking studiert und dort auch meinen Bachelor- und Master-Abschluss in Chemie gemacht. Einer meiner Englischlehrer war Amerikaner, und wir wurden Freunde. Er hat mir viel beigebracht, nicht nur die Sprache, sondern auch über die amerikanische Kultur. Er ermutigte mich, für mein Promotionsstudium in die USA zu gehen, und half mir bei vielen Herausforderungen.
In den achtziger und neunziger Jahren befanden sich die besten Universitäten der Welt in Amerika. Ich hatte das Glück, ein Stipendium und eine Befreiung von den Studiengebühren an der State University in New York (SUNY) für das Doktorandenprogramm Bioanalytik und Umwelttoxikologie zu erhalten, wo ich zum ersten Mal die Massenspektrometrie kennenlernte. Als ich 1996 in die USA kam, war ich in meinen Zwanzigern. Ich hatte zwei Koffer dabei und 200 Dollar in der Tasche und begann sofort mit meinem Studium.
Nach meiner Promotion im Jahr 2002 ging ich für ein Postdoc-Stipendium an die Mount Sinai School of Medicine in Manhattan, wo ich mich hauptsächlich mit bioanalytischen Methoden für die Krebsforschung beschäftigte. Im Jahr 2004 trat ich meine erste Stelle in der Industrie in einem Chemieunternehmen an. Bald wechselte ich den Arbeitgeber und wurde schließlich 2009 über eine Akquisition Teil der BASF.
Du engagierst dich im Asian Inclusion Network, einer bei Employee Resource Group BASF, und hast sogar die Ortsgruppe am Standort Tarrytown gegründet. Was hat dich dazu bewogen?
Bei der BASF gibt es viele asiatische Mitarbeitende, vor allem in den Arbeitsgebieten Technologie und Forschung, und wir wollten ein Netzwerk aufbauen und uns gegenseitig beim Wissensaustausch und bei der Karriereentwicklung helfen. Deshalb haben wir vor mehr als zehn Jahren das Asian Inclusion Network (AIN) mit Mitgliedern in Tarrytown und Kolleginnen und Kollegen von anderen BASF-Standorten wie Wyandotte, Florham Park und Iselin gegründet.
Heute haben wir acht Ortsgruppen an verschiedenen Standorten in der Region, darunter auch in Florham Park, dem Hauptsitz der BASF in Nordamerika. Es macht uns viel Spaß, kulturelle Veranstaltungen auszurichten, aber auch asiatische Talente anzuwerben, zu entwickeln und zu halten. Das ist eines der Dinge, auf die ich besonders stolz bin.