Als der Sohn von Baoliang Qian noch ein Baby war, gab es dieses Ereignis, das die Idee reifen ließ. Baoliang (oder auch Lao Qian, wie er oft genannt wird), war auf einer Dienstreise, wie so oft zu dieser Zeit. Als er gegen Mitternacht nach Hause zurückkehrte, setzte sich sein Sohn Xinze (Xiao Qian) auf „und sah mich an, als würde er sich wundern, wer ich überhaupt bin.“ Sichtlich bewegt fügt Lao Qian hinzu: „So war unsere Beziehung.“
Aufgrund des beruflichen Drucks verbrachte Xiao Qian viele Jahre seiner frühen Kindheit getrennt von seinem Vater. Als der Junge dann einige Jahre später zu Lao Qian ziehen konnte, sah dieser seine Chance gekommen, um die verlorene Zeit nachzuholen.
Die Idee stand bereits fest: Lao Qian und Xiao Qian würden ihre Bindung auf einer Rundreise nach Tibet wieder stärken. Und nicht nur das, sie würden die Reise antreten… in einem Elektrofahrzeug (EV).
Lao Qian lebt in Xi’an. Das ist fast 2.000 km von Tibet entfernt, und dazwischen liegt größtenteils sehr entlegenes Gebiet. Die Idee, die Strecke in einem Elektrofahrzeug zu fahren, mag auf den ersten Blick unpraktisch erscheinen – so sah das zumindest damals Xiao Qian, den der Vorschlag seines Vaters wenig überzeugte. Aber Lao Qian, ein ausgebildeter Elektroingenieur, nahm die Herausforderung an. Und als er seinem Sohn erzählte, dass sie das E-Auto in der Wildnis mit Hilfe von Solarzellen aufladen würden, war auch Xiao Qian angetan.
Die Herausforderung war enorm, aber Lao Qian behielt sich seinen Humor. „Tibet ist ein Ort, an dem es zwar nicht viel Sauerstoff gibt, dafür aber viel Glauben“, scherzt er. Damit spielt er in erster Linie auf die dünne Atmosphäre im tibetischen Hochland an, aber es gibt auch eine wichtige technische Komponente: Im Gegensatz zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren benötigen E-Autos nicht viel Sauerstoff, um zu funktionieren. Und da Lao Qian und Xiao Qian unterwegs in ihrem Fahrzeug schlafen und essen wollten, wusste Lao Qian, dass es hilfreich sein würde, dass E-Autos keine schädlichen Gase wie Kohlenmonoxid ausstoßen.
Allerdings konnte Lao Qian auf dem Markt keine Solarpaneele finden, die seinen Ansprüchen genügten – nicht einmal annähernd. Abgesehen von dem enormen Energiebedarf mussten sie so klein sein, dass sie unkompliziert in – oder auf – das E-Auto passten. Schlussendlich baute Lao Qian gemeinsam mit einem Freund 30 ultradünne Solarmodule, von denen jedes eine Leistung von 200 Watt erbringen kann. Danach konstruierte er einen Dachträger, um die Paneele zu transportieren, wenn sie nicht in Gebrauch waren. Lao Qians Paneele bildeten die Grundlage für ein komplettes alternatives Stromnetz, das seine und Xiao Qians Reise erst möglich machte.
Trotz Lao Qians akribischer Planung – er hatte ein Ladegerät, einen Kühlschrank, einen Campingkocher und den für die tibetischen Höhenlagen notwendigen Sauerstoffgenerator dabei – verlief nicht alles reibungslos. „Viele meiner Freunde versuchten, mir die Reise auszureden", erinnert er sich und gibt sogar zu: „Ich war ein wenig impulsiv.“
Das muss für Lao Qian und Xiao Qian am offensichtlichsten gewesen sein, als die Batterieladung ihres E-Autos 3 km vor dem Gipfel des Dongda-Bergs nur noch 23 Prozent betrug. Wenn sie es bis zum Gipfel schafften, würde sich das Auto auf dem Rückweg selbst wieder aufladen. Aber wenn sie es nicht schaffen...?
Letztlich entschied sich Lao Qian für die vernünftige Option, anzuhalten und die Batterie des E-Autos aufzuladen. Doch während des Ladevorgangs begannen er und Xiao Qian, die Auswirkungen des Sauerstoffmangels zu spüren. Sie setzten den Sauerstoffgenerator ein und ein weiteres Mal half ihnen Lao Qians sorgfältige Vorbereitung so aus der Patsche. Bald waren sie wieder auf den Beinen und schafften es über den Berg, um auf der anderen Seite ihr Nachtlager aufzuschlagen.
Lao Qian erinnert sich mit großer Freude an den Rest der Reise.
Und wenn Lao Qian so über die tiefere Bedeutung ihrer epischen Reise nachdenkt, mischen sich wieder Gefühle in seine Stimme. Über E-Autos sagt er: „Ich denke, unsere gesamte Zukunft, nicht nur die Zukunft dieses Landes, sondern die der gesamten Menschheit, sollte in diese Richtung gehen.“ Wie seine einzigartige Reise zeigt, können uns Elektrofahrzeuge so weit bringen, wie wir es uns erträumen, wenn man sie mit innovativen Technologien zur Energiegewinnung kombiniert. Und über die Rundreise selbst resümiert er: