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Der Dauerläufer
Mit dem Infinergy®-Schaumstoff haben BASF-Forschende vor zehn Jahren den Laufschuh revolutioniert: Das erste expandierte thermoplastische Polyurethan steckt in der Mittelsohle und gibt einen Teil der eingesetzten Energie wieder an den Läufer zurück, der so seine Leistung steigern kann. Heute schwören verschiedenste Unternehmen auf den langlebigen Schaumstoff, der auch beim Thema Nachhaltigkeit Vorreiter sein soll.
Rund 10.500 Kilometer, eine Hitzewelle, stürmischer Gegenwind und tosende Gewitter liegen hinter Extremsportler Jonas Deichmann, als er Anfang November New York erreicht – empfangen von seinen Fans. Auf dem Fahrrad und zu Fuß hat er die USA gleich zwei Mal hintereinander durchquert, erst ging es von der Ost- an die Westküste, dann wieder zurück. Bei seiner TRANS AMERICA TWICE Tour spielte sein Fahrradsattel eine tragende Rolle, wie der 36-jährige Weltrekordler auf der Ultra-Lang-Distanz erläutert. „Bei diesen enormen Strecken ist der Sattel außerordentlich wichtig: Wenn du den falschen hast, ist das sehr schmerzhaft.“ Das Besondere: Der Kern seines Sattels besteht aus Infinergy®-Schaumstoff, der ein völlig neues Fahrgefühl möglich macht. Er minimiert den Sitzdruck, federt Fahrbahnstöße und Vibrationen ab und ist besonders rückendschonend. Ein großer Vorteil, wenn der Weg über Schotterpisten oder holprigen Untergrund führt, was sich auf Extremtouren kaum vermeiden lässt. An Infinergy schätzt Deichmann, dass er den Sattel so „bequem und sehr leicht“ macht.
Kleine Perlen mit großem Potenzial
Läufer haben Infinergy schon lange für sich entdeckt. Früher mussten sie sich zwischen harten, elastischen Wettkampfschuhen oder sehr weichen, stark dämpfenden Trainingslaufschuhen entscheiden. Das änderte sich, als adidas und BASF vor zehn Jahren gemeinsam das Boost-Modell entwickelten, dem die Infinergy-Sohle völlig neue Federungs- und Dämpfungseigenschaften verlieh. „So konnten wir die ideale Balance finden zwischen Leichtigkeit und Stabilität des Schuhs“, sagt Martin Vallo, Head of Tech Development Infinergy bei BASF Polyurethanes GmbH. Der Läufer erlebte einen Energierückgewinn, den kein anderer Schuh bieten konnte. Dafür sorgt ein expandiertes thermoplastisches Polyurethan, kurz E-TPU genannt. Um E-TPU herzustellen, schäumen BASF-Mitarbeitende ein TPU-Granulat auf, erhitzen es und setzen es Druck aus. Anschließend lassen sie die Körnchen wie Mais aufpoppen. Dabei verzehnfacht sich ihr Volumen, und es entstehen ovale Schaumperlen mit winzigen, geschlossenen Luftzellen, die für die Elastizität und den so genannten Rückpralleffekt sorgen. Der macht es möglich, bis zu 75 Prozent der Energie an den Läufer zurückzugeben.
2023 kam mit dem Ultraboost Light der bisher leichteste Boost-Schuh von adidas auf den Markt. Die Mittelsohle wiegt 30 Prozent weniger als beim Boost der ersten Generation bei zugleich optimalen Federungs- und Dämpfungseigenschaften.
Das überzeugte auch die Event-Managerin und passionierte Sportlerin Teresa Hermann, die Mitte Oktober den Palma Marathon auf Mallorca mit dem adidas Ultraboost gelaufen ist. „Ich liebe das Laufen, es gibt mir ein Gefühl der Freiheit“, erklärt sie. „Außerdem macht es den Kopf frei und man kann quasi jederzeit und überall einfach starten.“ Dafür brauche es nicht mehr als die richtige Kleidung und die passenden Schuhe. „Da hat jeder etwas andere Ansprüche, aber eine gute Dämpfung ist ein Muss“, findet sie. Am Ultraboost schätzt sie neben seiner Leichtigkeit das besondere Gefühl durch den Rückpralleffekt.
Bequem? Aber sicher!
Das kommt nicht nur Sportlern zugute. Auch in Arbeits- und Sicherheitsschuhen hat sich der Schaumstoff bewährt. Die müssen einerseits widerstandsfähig gegen Stöße oder Flüssigkeiten sein, andererseits aber auch komfortabel. Schließlich werden in ihnen oft etliche Kilometer am Tag zurückgelegt. Der Schuhhersteller Elten im niederrheinischen Uedem nutzt Infinergy für seine Wellmaxx-Serie. „Wenn Beschäftigte bei der Arbeit die falschen Sicherheitsschuhe tragen, führt das über kurz oder lang zu Schmerzen“, erklärt Nadine Claaßen, Orthopädieschuhmachermeisterin bei Elten. „Deshalb wollten wir einen Schuh entwickeln, der Fußschutz mit Tragekomfort verbindet. Infinergy hat uns hier ganz neue Möglichkeiten eröffnet: Dank der besonderen Dämpfung werden Bänder und Gelenke deutlich weniger belastet als in anderen Sicherheitsschuhen. Außerdem sorgen das leichte Material und die Federung dafür, dass der Träger weniger Kraft beim Gehen braucht.“
Für den BASF-Schaumstoffexperten Martin Vallo steckt in dem Material noch jede Menge Potenzial: „Es kann überall dort zum Einsatz kommen, wo die Kombination von geringem Gewicht, außerordentlichen mechanischen Eigenschaften und einer hohen Dauerbelastbarkeit in einem breiten Temperaturbereich gefragt ist.“ Mittlerweile steckt Infinergy unter anderem in Sport- und Spielplatzböden, Fahrradschläuchen und Tennisschlägern.
Zirkulär in die Zukunft
Auch BASF-Forschende haben mit Infinergy noch viel vor. „Die Zukunft von Schuhen ist zirkulär“ , sagt Lionel Gehringer, Senior Manager Sustainability Projects Infinergy bei BASF. „Deswegen haben wir ein umfangreiches Programm zur Kreislaufwirtschaft gestartet und wollen bis 2050 CO2-frei produzieren.“ Bereits heute lässt sich Infinergy recyceln, bei der Produktion entsteht immer weniger Ausschuss und es wird immer weniger fossile Energie benötigt. Zudem werden alternative Rohstoffe genutzt: Statt Erdgas wird etwa Biogas eingesetzt, um den Product Carbon Footprint zu verringern. Ein Biomassenbilanzverfahren, das unabhängige Prüfer auditiert haben, ordnet den jeweiligen Produkten ihren Anteil an nachwachsenden Rohstoffen zu.
Alternativ lässt sich fossiler Rohstoff auch durch Pyrolyseöl ersetzen. Um das zu gewinnen, werden Kunststoffabfälle wie Altreifen – die bisher nicht wiederverwendet werden konnten – chemisch recycelt. Dabei bricht man die Bindungen in großen Molekülen durch hohe Temperaturen auf und erzeugt kleinere Moleküle, aus denen sich wieder neue Produkte herstellen lassen. Auch dieser Rohstoff wird über den Massenbilanzansatz dem Material zugeordnet.
Infinergy wird also kontinuierlich weiterentwickelt. „Denkbar sind zum Beispiel auch neue Polymere bei der Herstellung“, sagt Martin Vallo. „Oder hochbelastbare Beschichtungen der Schaumstoff-Perlen, bei denen Autolacke Pate stehen.“ Die Perlen selbst werden in Zukunft immer kleiner und komprimierter sein. Wandlungsfähig sind sie schon heute. Gab es sie anfangs nur in Weiß, sind mittlerweile alle Farben möglich. Auch hier suchen die Forschenden der BASF kontinuierlich nach neuen, nachhaltigen Lösungen. Für Brauntöne hat sich beispielsweise Kaffeesatz als Färbemittel bewährt. Schwarze Farbe stammt von Altreifen und Kurkuma sorgt für sattes Gelb. „Manchmal liegt eine Lösung näher als man denkt“, so Martin Vallo. Wenn das nicht der Fall ist, sind Ausdauer und Hartnäckigkeit von den Forschenden gefragt. Um sich zu motivieren, hilft vielleicht ein Blick in den aktuellen Bestseller von Extremsportler Jonas Deichmann, den so schnell keine Herausforderung abschreckt. Er ist überzeugt: „Das Limit bin nur ich.“ Seine Fans dürfen gespannt sein, wie und wo er das bei seiner nächsten Tour unter Beweis stellt.