Geschichte

Geschichte

Carl Bosch (1874-1940) - Nobelpreisträger, Wissenschaftler, Manager

Schlaglichter zum 150. Geburtstag

Ein unkonventionelles Ausnahmetalent schreibt Geschichte

„Brot aus der Luft“ – die Ammoniaksynthese nach dem sogenannten Haber-Bosch-Verfahren machte es möglich. Der spätere Nobelpreisträger Carl Bosch verantwortete als Vorstandsvorsitzender von BASF und später der I.G. Farbenindustrie AG (kurz I.G. Farben) auch die Entwicklung weiterer Hochdruckverfahren. In leitender Position fällte er Entscheidungen, die sich im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen als folgenschwer erwiesen. Als Mensch ist er bis heute schwer greifbar geblieben. Eine Annäherung und Würdigung in Schlaglichtern von BASF Corporate History.

Es war eine wissenschaftlich-technische Sensation: Carl Bosch gelang mit dem Haber-Bosch-Verfahren im industriellen Maßstab die Synthese von Ammoniak durch Bindung von Luftstickstoff für die Düngemittelproduktion. Damit löste er eine der drängendsten Fragen seiner Zeit, das sogenannte Stickstoffproblem. Die Ernten mussten deutlich gesteigert werden, um mit der wachsenden Bevölkerung Schritt zu halten. Die natürlichen Lagerstätten der hierfür notwendigen stickstoffhaltigen Düngemittel, allen voran Chilesalpeter, gingen aber zur Neige. Dem setzten BASF und Bosch die großtechnische Ammoniaksynthese entgegen. Sie revolutionierte die Landwirtschaft, indem sie das Zeitalter der Mineraldüngung einläutete. Mit der Ammoniaksynthese schuf Carl Bosch die Grundlage für die Bereitstellung von Nahrungsmitteln für einen großen Teil der Weltbevölkerung.

Mehr noch: Mit der weltweit ersten Ammoniakanlage hielt im BASF-Werk Oppau 1913 die katalytische Hochdrucktechnik Einzug in die chemische Industrie. Auch die Entwicklung weiterer Hochdruckverfahren ist eng mit dem Namen Carl Bosch verbunden. Für seine Leistungen erhielt er mehrere Ehrendoktorwürden und etliche Auszeichnungen, 1931 sogar den Chemie-Nobelpreis. Zu diesem Zeitpunkt war Carl Bosch bereits Vorstandsvorsitzender und treibende Kraft von BASF (1919-1925) beziehungsweise der I.G. Farben (1925-1935). Unternehmensstrategische Entscheidungen im Zusammenhang mit den Hochdrucksynthesen rückten die I.G. Farben ab 1933 in die Nähe des NS-Regimes, dessen Vorgehen gegen jüdische Wissenschaftler Carl Bosch gleichzeitig ablehnte. Auch deshalb kämpfte der vielseitig interessierte und umtriebige Bosch besonders in den letzten Lebensjahren mit schweren Depressionen.

Der Mensch Carl Bosch

Carl Bosch war Wissenschaftler aus Leidenschaft, Chemiker und Techniker durch und durch.

Spekulationen hatten bei Carl Bosch als Vollblutwissenschaftler keinen Platz. Sie prägen aber in weiten Teilen unser heutiges Bild von ihm. Seine Leistungen als Wissenschaftler und Manager sprechen für sich. Über seine Motive wissen wir jedoch nur wenig. Persönliche Zeugnisse fehlen in weiten Teilen. Zugleich ranken sich Erzählungen um ihn, die sich zu vermeintlichen Gewissheiten verfestigt haben. Dokumente seines Wirkens und Berichte von Wegbegleitern zeichnen ein widersprüchliches, facettenreiches Bild.

Insektenkasten aus der Käfersammlung Carl Bosch, heute im Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main [Foto: Senckenberg/Tränkner].

Biografischer Rundflug

Praxisnah und breit interessiert: Ausbildung, Studium, Promotion

Carl Bosch wurde am 27. August 1874 in Köln geboren. Sein Interesse an handfester Technik manifestierte sich früh und er besuchte die praxisorientierte Ober-Realschule anstatt eines humanistischen Gymnasiums mit altsprachlichem Schwerpunkt. Auf der Marienhütte in Kotzenau (Schlesien) absolvierte der junge Bosch anschließend ein Praxisjahr. Mit dieser Erfahrung im Gepäck schrieb er sich an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg für ein Studium der Hüttenkunde (Metallurgie und Werkstofftechnik) und des Maschinenbaus ein. Für den begabten Studenten Bosch fußten Metallurgie und Maschinenbau noch zu sehr auf Faustregeln anstelle genauer Formeln. Aus diesem Grund wechselte er an die Universität Leipzig, wo er – von dem Wunsch nach exakter Forschung getragen – nun Chemie im Hauptfach studierte. 1898, mit rund 24 Jahren, schloss Carl Bosch sein Studium mit Promotion und Bestnote ab.

In der Analytischen Abteilung seines Doktorvaters Johannes Wislicenus (1835-1902) war er danach für kurze Zeit als Saalassistent tätig. Statt eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen, bewarb sich Carl Bosch als Chemiker bei BASF, dem damals mit Abstand größten Chemieunternehmen im Deutschen Kaiserreich. Unter Wissenschaftlern hatte BASF wiederholt für Aufsehen gesorgt, zuletzt 1897 mit der großtechnischen Indigosynthese.

Bosch bei BASF und I.G. Farben: Vom Labor an die Spitze

Seinen ersten Arbeitstag bei BASF hatte Carl Bosch am 15. April 1899 – wie alle neu eingetretenen Chemiker – im Hauptlabor. Noch im selben Jahr wechselte er in die Phthalsäurefabrik und wurde zuständig für deren Erweiterung. 1900 kam er zum ersten Mal mit der Frage der industriellen Stickstoffbindung in Berührung.

Vom Wissenschaftler zum Manager

Sein Talent wurde bei BASF erkannt und gefördert. Dies führte ihn letztlich an die Spitze eines der damals größten deutschen Unternehmen. 1911 wurde Bosch Prokurist, 1914 stellvertretendes Vorstandsmitglied. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) garantierte er der deutschen Militärführung mit dem „Salpeterversprechen“ den Nachschub an diesem wichtigen Vorprodukt der Munitionsherstellung. Ordentliches Vorstandsmitglied wurde Bosch 1916. Ende 1918 war er als Vertreter der chemischen Industrie bei den Waffenstillstandsverhandlungen im belgischen Spa, 1919 Sachverständiger der deutschen Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles. Im selben Jahr wurde Bosch Vorstandsvorsitzender.

Vom Vorstand in den Aufsichtsrat

Das bedeutete auch: Bosch war zunehmend mehr Manager als Wissenschaftler. In dieser Funktion trieb er die Fusion der führenden deutschen Chemieunternehmen zur I.G. Farben voran, deren erster Vorstandsvorsitzender er 1925 wurde. Es waren vor allem die von ihm forcierten Hochdruck-Projekte, welche die I.G. Farben ab 1933 auch in direkte Nähe zum NS-Regime brachten. Ihretwegen kam es zu einer engen wirtschaftlichen Kooperation.1935 zog sich Carl Bosch aus der operativen Konzernführung zurück und wurde Aufsichtsratsvorsitzender. Er starb am 26. April 1940. So erlebte er nicht mehr mit, wie sich die I.G. Farben an dem System der NS-Zwangsarbeit und „Vernichtung durch Arbeit“ beteiligte und schuldig machte.

Das neue Werk Oppau entsteht: Stahlskelettbauten bestimmen das Bild, 1912.

Ammoniaksynthese

Die weltweit erste Ammoniaksynthese-Anlage nahm am 9. September 1913 im Werk Oppau den Betrieb auf. Mit ihr hielt die katalytische Hochdrucksynthese Einzug in die chemische Industrie. Es war eine wissenschaftlich-technische Meisterleistung, die unter Fachleuten niemand für möglich gehalten hatte. Mit Ausnahme von Carl Bosch: „Ich glaube, es kann gehen.“ Dieses legendäre Zitat wird ihm zugeschrieben. Aufgrund seiner erworbenen Kenntnisse aus Metallurgie, Maschinenbau und Chemie war er überzeugt, ein von Fritz Haber (1868-1934), Ordinarius an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, im Labormaßstab entwickeltes Verfahren in die industrielle Nutzung überführen zu können.

Dem vorausgegangen waren Jahre gescheiterter Versuche verschiedener Chemiker, Luftstickstoff chemisch zu binden und damit den begehrten Schlüssel für „Brot aus Luft“ zu finden. Denn für verbessertes Wachstum und damit höhere Ernteerträge sind Pflanzen auf gebundenen Stickstoff angewiesen.

Anfang 1900 sollte Carl Bosch ein Verfahren von Wilhelm Ostwald, Experte auf dem Gebiet der physikalischen Chemie und späterer Chemienobelpreisträger, für BASF prüfen. Dessen Ergebnisse ließen sich jedoch nicht reproduzieren. Am Ende stand ein Streit, in dem Bosch recht behielt. Er hatte seine erste große Bewährungsprobe bestanden, die ihn für größere Aufgaben empfahl. Drei Jahre später wurde er beauftragt, ein eigenes Verfahren zur industriellen Stickstoffbindung zu entwickeln. Trotz einiger Erfolge zusammen u.a. mit dem Chemiker Alwin Mittasch (1869-1953) war der Durchbruch noch nicht geschafft, als BASF von den vielversprechenden Arbeiten Fritz Habers erfuhr.

Herausforderungen: Teamwork an Hochdruck

BASF vereinbarte 1908 eine Kooperation auf dem Stickstoffgebiet mit Professor Fritz Haber. Schon ein Jahr später konnte er vor BASF-Vertretern die Leistungsfähigkeit seiner Ammoniakapparatur im Demonstrationsversuch unter Beweis stellen. Das überzeugte. Carl Bosch erhielt die Gesamtleitung des neuen BASF-Megaprojekts zur industriellen Anwendung des von Haber entwickelten Verfahrens zur Ammoniaksynthese. Allerdings waren die Herausforderungen hinter Habers Verfahrensparametern enorm und Neuland in der chemischen Industrie. Es ging um nicht weniger als eine katalytische Reaktion unter extremem Druck bei gleichzeitig hoher Temperatur.

Drei Hürden für einen interdisziplinären Marathon

Entscheidend: Das "Doppelrohr"

Oppau 1913: Die Erste ihrer Art

Talent und Vertrauen

Kurz eingeordnet: Stickstoff, Ammoniak, Salpetersäure, Salpeter, Nitrate

Stickstoff (N) stellt den Hauptbestandteil der Luft. In seiner elementaren Form kann er nicht als Pflanzennährstoff dienen, sondern muss in gebundener Form vorliegen. Die Ammoniaksynthese (aus Luftstickstoff und Wasserstoff) nach dem Haber-Bosch-Verfahren schuf hierzu die Voraussetzung im industriellen Maßstab.

Ammoniak (NH3) und Salpetersäure (HNO3) zählen zu den wichtigsten Grundstoffen der chemischen Industrie. Salpetersäure wurde seit 1906 durch katalytische Oxidation von Ammoniak gewonnen. Als Katalysator diente Platin, wodurch die Produktionskapazitäten begrenzt waren, bis BASF 1914 ein neues Verfahren mit einem Eisen-Katalysator ausarbeitete. 

Salpeter ist der Trivialname für einige in der Natur vorkommende Nitrate. Bis zur Einführung des Haber-Bosch-Verfahrens war Salpeter die einzige Quelle für größere Mengen an Stickstoff-Verbindungen. Chilesalpeter (Natriumnitrat, Natriumsalz der Salpetersäure) ist das wichtigste natürlich vorkommende Nitrat mit der größten Lagerstätte in Chile.

Nitrate (NO3), unter anderem Ammoniumnitrat (NH4NO3) und Natriumnitrat (NaNO3), sind Salze der Salpetersäure (HNO3) und dienen Pflanzen als Nährstoff (Stickstoffquelle).
Das neue Werk Oppau, Gemälde von Otto Bollhagen, 1920.
Schwergewicht in der Ammoniaksynthese: Einbau eines Hochdruckreaktors, 1935.
Vorteil leicht ersichtilich: Düngemittelwerbung (Postkarte), 1930.

Licht und Schatten

Die Ammoniaksynthese ermöglichte die Herstellung von Mineraldünger, machte als Baustein der Salpetersäureproduktion aber auch die Fortführung der Munitionsproduktion im Ersten Weltkrieg möglich. Sie war folglich auch Gegenstand der Friedensverhandlungen von Versailles, an denen auch Carl Bosch teilnahm. In Oppau kam es 1921 zudem zu einem der größten Unglücke der Industriegeschichte. Ein Streifzug durch Licht, Schatten und Ambivalenz der industriellen Moderne.

Salpeterversprechen: Dual-Use im Ersten Weltkrieg

Preis des Fortschritts? Die Oppauer Explosion

Verständigung mit Frankreich und Nachdenken über Europa

Skizze der Oppauer Salpetersäure-Anlage, handgezeichnet von Carl Bosch, 1914.

Neue Hochdrucksynthesen

Die Hochdrucktechnik prägte wesentlich die industrielle Chemie in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Carl Bosch hatte BASF 1913 zum Pionier auf diesem Gebiet gemacht. Als Vorstandsvorsitzender baute Bosch den technologischen Vorsprung von BASF und ab 1925 von I.G. Farben weiter aus. 1931 erhielt er den Chemienobelpreis für die neuen Syntheseverfahren. Diese erhielten aber auch in der Rüstungs- und Kriegswirtschaft der Nationalsozialisten besondere Bedeutung.

Nobelpreis und Fehlkalkulation Kohlehydrierung

Kooperation der I.G. Farben mit dem NS-Regime

Nobelpreisurkunde von Carl Bosch [Foto: Archiv der MAx-Planck-Gesellschaft, Berlin: VI. Abt., Rep. 1, Bosch, Carl III/26].
An vielen Tankstellen zu haben: Leuna-Benzin aus der Hochdrucksynthese (Auschnitt einer Werbepostkarte), 1930er Jahre.

Freiheit und Förderung von Wissenschaft und Forschung

Engagement auf mehreren Ebenen

Carl Bosch sah sich zeitlebens zuerst immer als Wissenschaftler und Techniker, dann erst als Wirtschaftsführer. Auch privat hatte er ein breit gefächertes wissenschaftliches Interesse, besonders für naturkundliche Sammlungen und Astronomie. Als Vorstandsvorsitzender verantwortete er umfangreiche Investitionen in Forschung und Entwicklung. Denn Bosch war überzeugt, dass BASF und später I.G. Farben nur durch wissenschaftlich-technischen Vorsprung langfristig bestehen könnten. Der Erfolg gab Carl Boschs Strategie recht. In den knapp zehn Jahren unter seiner Leitung entwickelte sich die I.G. Farben zu einem der am breitesten diversifizierten Chemieunternehmen der Zwischenkriegszeit.

Neue Forschungseinrichtungen bei BASF

Auf Carl Bosch gehen zwei eng mit der Ammoniaksynthese verbundene Forschungseinrichtungen zurück. Im Frühjahr 1914 nahm, erstens, auf seinen Vorschlag die sogenannte „Landwirtschaftliche Versuchsstation“ ihre Arbeit auf, das heutige BASF Agrarzentrum. Hier testete BASF systematisch die Wirkung ihrer neuen Stickstoffdüngemittel, ganz in der Tradition der anwendungstechnischen Prüfung ihrer Produkte. 1917 nahm, zweitens, das bestens ausgestattete Ammoniaklabor unter Leitung von Alwin Mittasch (1869-1953), dem Katalysatorfachmann und dienstältesten Mitarbeiter Boschs, seine Tätigkeit auf.

Engagement außerhalb des Unternehmens

Carl Bosch gilt als einer der bedeutendsten und mächtigsten Förderer der Wissenschaft. 1933 wurde er für zwei Jahre Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, der ältesten und größten interdisziplinären Wissenschaftsvereinigung in Deutschland. Ab 1937 war er Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Vorläuferin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Finanziell unterstützte er zudem zahlreiche Forschungsprojekte, entweder privat oder durch sein Unternehmen. Seine unbedingte Haltung zur Freiheit von Wissenschaft und Forschung unterstrich Carl Bosch 1934 und 1939 in zwei öffentlichen Reden mit deutlichen Worten. 1940, in seinem Todesjahr, gehörte Carl Bosch insgesamt 42 deutschen und ausländischen wissenschaftlichen Gesellschaften an.

Einsatz für jüdische Wissenschaftler

Ganz im Sinne seiner Haltung zur Wissenschaftsfreiheit setzte sich Carl Bosch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten für den Verbleib jüdischer Wissenschaftler in ihren Positionen ein. Denn das im antisemitischen und rassistischen Geist der Nationalsozialisten formulierte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ ermöglichte im April 1933 ihre Entfernung aus dem öffentlichen Dienst. Wenig später traf Carl Bosch Adolf Hitler erstmals persönlich. Bosch soll dabei seine Sorge um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands betont haben, wenn hervorragende Wissenschaftler gezwungen würden, das Land zu verlassen. Hitler soll das Gespräch abrupt beendet haben, mit den auf Bosch bezogenen Worten: „Der Geheimrat wünschen zu gehen!“ So jedenfalls soll Bosch die Situation nachträglich vertrauten Freunden geschildert haben, wie sein Biograf Karl Holdermann schreibt.

Belegbar ist, dass sich Bosch in etlichen Einzelfällen für den Verbleib jüdischer Wissenschaftler in ihren Positionen einsetzte oder sie anderweitig unterstützte. Zu ihnen zählen die Physikerin Lise Meitner (1878-1968); der Astrophysiker Erwin Finlay Freundlich (1885-1964); der Geochemiker Victor Moritz Goldschmidt (1888-1947); der Biochemiker und Medizin-Nobelpreisträger Otto Meyerhof (1884-1951); der Mathematiker, Physiker und spätere Physik-Nobelpreisträger Max Born (1882-1970) und der Physiker Fritz London (1900-1954).

Solidarität mit Fritz Haber

Anfang 1934 starb Fritz Haber. Mit dem Chemienobelpreisträger von 1918, auf dessen labormäßigen Vorarbeiten die großtechnische Ammoniaksynthese beruhte, war Carl Bosch bis dahin in Kontakt geblieben. Zu Habers Gedächtnisfeier führte Bosch einen „Akt demonstrativer Nichtanpassung“ [Margit Szöllösi-Janze] herbei. Haber war aus Sicht der NS-Rassenideologie nicht „arischer“ Abstammung, weshalb eine Teilnahme seitens des Regimes ausdrücklich nicht gewollt war. Dennoch erschien Bosch nicht nur persönlich, sondern beorderte auch Manager der I.G. Farben dorthin

Carl Boschs Motive

Hiermit verbindet sich auch die Frage nach Boschs Beweggründen. Persönliche Betroffenheit, wie er sie etwa im Fall von Fritz Haber äußerte, zählt ganz sicher dazu. Aber setzte er sich darüber hinaus stärker aus ethisch-moralischen Gründen für jüdische Mitarbeiter und Kollegen ein, weil er die Ausgrenzung und Vertreibung der Juden prinzipiell nicht akzeptieren wollte? Oder war seine Haltung doch stärker interessengeleitet? Denn der Gefahren des antisemitisch motivierten Aderlasses an Know-how für das eigene Unternehmen, aber auch für die deutsche Wissenschaft und Forschung, war sich Bosch nur allzu bewusst. Hier eine Antwort zu geben, ist schwer möglich. Viele Informationen beruhen auf Hörensagen oder sind nicht durch weitere Quellen gesichert. Deutlich wird jedoch, dass sich Boschs Unterstützung auf Personen aus seinem eigenen Gesichts- und Wirkungskreis beschränkte, bei denen es sich – soweit wir wissen – ausschließlich um hochrangige Wissenschaftler oder Mitarbeiter des eigenen Unternehmens handelte.

Persona non grata für das Regime

Carl Bosch exponierte sich mit seinem Eintreten für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung und für jüdische Wissenschaftler. Gegen Ende seines Lebens wurde er von den Machthabern zur Persona non grata erklärt.  Er hatte sich in ihren Augen völlig diskreditiert, als er im Mai 1939 unter Alkoholeinfluss in einer Rede deutliche Worte gegen Wissenschaft und Forschung unter ideologischen und rassistischen Vorbehalten fand.

Carl Bosch und Albert Einstein

Carl Bosch war begeisterter Hobby-Astronom und ließ 1919 eine erste kleine private Sternwarte auf dem Grundstück seiner Heidelberger Villa errichten. Ein Observatorium ganz anderer Art initiierte am Ende desselben Jahres ein Mitarbeiter Albert Einsteins mit einem Spendenaufruf an die deutsche Wirtschaft. Ein Turmteleskop sollte in Potsdam entstehen, der später sogenannte Einsteinturm, um eine weitere experimentelle Bestätigung der Relativitätstheorie seines Namensgebers zu liefern. Carl Bosch ließ es sich nicht nehmen, dieses Projekt mit erheblichen privaten Mitteln und Spenden von BASF zu unterstützen.

Es ist vermutlich hierauf zurückzuführen, dass Albert Einstein auf Einladung von Carl Bosch am 1. und 2. März 1926 zwei je einstündige Vorträge über die Relativitätstheorie im Ludwigshafener Gesellschaftshaus hielt. Zu diesem Anlass besichtigte Albert Einstein auch die Werke Ludwigshafen und Oppau. Über die dabei gewonnenen Eindrücke schrieb er in seinem Eintrag in das Gästebuch der Villa Bosch. Das Gästebuch ist verschollen, nur die Verse Albert Einsteins sind als Fragment erhalten.

Einsteins Eintrag: Fragment des Gästebuchs der Villa Bosch, 1926 [Foto: Carl Bosch Museum, Heidelberg].

Carl Bosch als Aktenbildner?

Auch wenn Carl Bosch von geregelter Aktenführung selbst nicht viel hielt, regte er die Erstellung einer ersten BASF-Chronik an und ließ die dafür benötigten Unterlagen zusammentragen. Sie bilden bis heute einen wertvollen Bestandteil der Überlieferung zur  Unternehmensgeschichte bei BASF Corporate History.

Fragen zur Unternehmensgeschichte?
Wenden Sie sich an das Team von BASF Corporate History.