Geschichte

Junger Begriff, lange Geschichte

Autor: F. J. Brüggemeier

Nachhaltigkeit wurde mit der Jahrtausendwende zum Schlüsselbegriff. Sie ist heute in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weltweit so fest etabliert, dass man von dem 21. auch als dem Jahrhundert der nachhaltigen Entwicklung spricht.

 

Ursprünglich besaß der Begriff Nachhaltigkeit eine klare, aber auch begrenzte Bedeutung. Zum ersten Mal verwandte ihn im Jahre 1713 Hans Carl von Carlowitz,  der forderte, den Wäldern nur soviel Holz zu entnehmen, wie nachwuchs. Dadurch wollte er die nachhaltige = langfristige Versorgung mit dem Rohstoff Holz sichern, verfolgte aber keine weiteren Ziele. Das änderte sich erst nahezu 300 Jahre später, als 1987 die Brundtland-Kommission im Auftrag der Vereinten Nationen das Konzept der nachhaltigen Entwicklung formulierte. Sie verstand darunter, dass „die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können.“

Zu diesem Zeitpunkt umfasste Nachhaltigkeit mehr als die Sicherung von Rohstoffen. Hinzu gekommen waren zuerst der Schutz von Ökosystemen und bald darauf auch nachhaltige Zielsetzungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Denn das Leben in einer künftigen Welt ist nicht erstrebenswert und damit auch nicht nachhaltig, wenn ökologische Ziele erreicht werden und Rohstoffe gesichert sind, zugleich aber politische Unterdrückung besteht, Ungleichheit und Ungerechtigkeit herrschen oder Diskriminierungen wegen Alter, Geschlecht, Herkunft oder Religion verbreitet sind.

Dieses umfassende Verständnis von Nachhaltigkeit ist wichtig und führte dazu, dass dieser Begriff so große Verbreitung gefunden hat. Alles soll nachhaltig sein. Doch damit wuchs auch die Unsicherheit darüber, was damit konkret gemeint ist und wie Nachhaltigkeit tatsächlich erreicht werden kann. Was, um einen Bereich herauszugreifen, ist unter einer nachhaltigen Wirtschaft zu verstehen? Soll diese weiterhin wachsen, was die weniger industrialisierten Länder fordern, um der Armut zu entkommen. Soll in den wohlhabenden Ländern das Wachstum generell gegen Null gehen oder sollen Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Erholung weiterhin anwachsen? Wie sieht es mit Wissenschaft und Technik aus? Müssen diese nicht expandieren, um nachhaltige Lösungen zu finden, auch und gerade um den weiteren Anstieg von CO2 zu verhindern?

Anders ausgedrückt: es gibt keine klaren Definitionen davon, was mit Nachhaltigkeit konkret gemeint ist. Der Begriff betont vielmehr die Notwendigkeit, langfristige Folgen ebenso zu bedenken wie das Ineinandergreifen von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie. Er bezeichnet die Notwendigkeit, sich darüber auszutauschen, auch zu streiten, und gibt keine klaren Ziele vor, sondern bezeichnet einen Prozess, der fortwährende Anstrengungen erfordert.

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Lesen Sie den Gastbeitrag von F. J. Brüggemeier über die Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs
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Wer hat's gesagt? und wann? Eine kleine Zitatesammlung rund um Nachhaltigkeit:

Gebackenes Brot (ist) schmackhaft und sättigend für einen Tag; aber Mehl kann man nicht säen, und die Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden.

Johann Wolfgang von Goethe, 1821 (Lehrbrief aus Wilhelm Meisters Wanderjahre)

Dichter und Naturforscher (1749-1832)

Nachhaltigkeit ist keine Frage von Wohltätigkeit, sondern unsere Strategie zum Erfolg.

Jürgen Hambrecht, 2005

Vorsitzender des BASF-Vorstands 2003-2011

Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.

Albert Schweizer

Arzt und Philosoph (1875-1965)

Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse [Wesen, Dasein] nicht bleiben mag. 

Hans Carl von Carlowitz, 1713 (Sylvicultura Oeceonomica)

Oberberghauptmann (1645-1714)

Wir wollen nichts verbergen: Leistungen der BASF und Belastungen durch die BASF sind zwei Seiten einer Medaille. Man kann sich nicht nur die Vorderseite ans Revers heften. 

Detlef Dibbern (1929-1995), 1989

Mitglied des BASF-Vorstands 1980-1992

Keine Schneeflocke in der Lawine fühlt sich verantwortlich.

Stanislaw Jerzy Lec

Lyriker (1909-1966)

Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsfaktor […] Wir begrüßen diesen Wettbewerb, auch wenn wir wissen, dass noch viele Herausforderungen vor uns liegen.

Jürgen Strube, 2002

Vorsitzender des BASF-Vorstands 1990-2003

Allen Geschlechtern gehört die Erde; jeder hat Anspruch auf alles. Die Frühen dürfen diesem Primogeniturzufalle keinen Vorzug verdanken.

Novalis

Schriftsteller (1772-1801)