Ohne sie wären weder Photosynthese noch Atmung oder Energiegewinnung aus der Nahrung möglich: Katalysatoren. In Form von Enzymen ermöglichen sie in Lebewesen nahezu alle lebensnotwendigen chemischen Reaktionen. Zudem reinigen sie die Abgase unserer Autos. Auch für die Produktion vieler chemischen Produkte sind Katalysatoren unersetzlich. Doch bis heute stellen Katalysatoren die Wissenschaft vor viele Fragen, denn über die Details ihrer Wirkungsweise ist wenig bekannt. Florina Corina Patcas forscht bereits seit 25 Jahren an Katalysatoren und entschlüsselt Stück für Stück ihre Geheimnisse.
Katalysatoren sind Stoffe, die die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion beeinflussen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Wie genau sie das machen, ist bei komplexen Reaktionen oft noch eine „Black Box“. Wie entwickelst du dennoch Katalysatoren, die präzise wirken?
Im Prinzip funktioniert die Forschung an Katalysatoren ähnlich wie ein Dating-Portal. Es ist wenig darüber bekannt, warum genau die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt und sie sich verlieben. Es gibt aber sehr viele Erfahrungswerte, welche Profile und Eigenschaften besonders gut harmonieren. Aus dieser Menge an Daten können Algorithmen lernen und immer besser vorhersagen, wer zusammenpassen könnte. In der Katalyse-Forschung ist es ähnlich. Wir machen viele Versuche, verändern die Zusammensetzung der Katalysatoren und werten die Ergebnisse aus. Durch maschinelles Lernen und mathematische Modelle können wir in den Daten Muster erkennen, die Katalysatoren verbessern und weiterentwickeln. Wir müssen dabei nicht jede Einzelheit verstehen. Es kommt darauf an, dass das Resultat stimmt.
Gibt es einen Moment, als du das Gefühl hattest, direkt in die Black Box der Katalysatoren zu schauen?
Ja, aber es war anders, als man es sich vorstellt. Durch mein naturwissenschaftliches Studium war ich es gewöhnt, den rationalen Weg zu gehen, also Probleme zu lösen und Optimierungsansätze zu finden, indem ich Ursache und Wirkung genau durchdringe. Mein großes Aha-Erlebnis war, herauszufinden, dass man Prozesse oder eine chemische Reaktion auch ohne ein komplettes Verständnis aller Zusammenhänge optimieren kann – wenn man ausreichend Daten dazu gesammelt hat. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen machen das möglich. Das heißt, es ist überhaupt nicht notwendig, die Black Box komplett zu durchleuchten. Wir können sowohl die Katalysatoren als auch die Produktionsprozesse, in den sie eingesetzt werden, auch so optimieren. Wir haben für unsere Kunden eine App entwickelt, mit der sie ihre Prozess-Parameter entsprechend ihren Rahmenbedingungen anpassen und optimieren können. Und für die Katalysatorentwicklung nutzen wir Design-of-Experiment (DOE), also statistische Versuchsplanung, gepaart mit Datenanalyse, um möglichst viele Informationen mit dem Minimum an Experimentiereinsatz zu gewinnen.
Woran arbeitest du gerade mit deinem Laborteam bei BASF
Für den Unternehmensbereich BASF Catalysts und unsere Kunden aus verschiedenen Industrien entwickeln wir Katalysatoren für die Styrol-Produktion weiter. Styrol ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Kunststoffen, zum Beispiel für die Dämmung von Gebäuden. Die komplexe Reaktion, um Styrol herzustellen, wäre ohne Katalysator weder wirtschaftlich noch nachhaltig, denn so würde die Hälfte der Ausgangsstoffe in kleinere Moleküle gespalten und unbrauchbar, statt zum Wunschprodukt zu reagieren.
Mit Hilfe unserer Katalysatoren werden 95 Prozent des Ausgangsstoffs Ethylbenzol zum gewünschten Produkt umgesetzt – Katalysatoren sind also entscheidend, um unsere Ressourcen zu schonen, möglichst wenig Abfall zu produzieren und den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen im Produktionsprozess zu senken. Durch sie läuft eine Reaktion bereits bei niedrigeren Temperaturen ab. Zudem können wir mit Katalysatoren die Eigenschaften der Endprodukte beeinflussen. Mit den Katalysatoren machen wir den gesamten chemischen Prozess besser, das ist ein schönes Gefühl.
Wie sieht so ein Katalysator für die Styrol-Anlage aus?
Die Kats, so nennen wir die Katalysatoren hier im Labor, sind feste, kleine zylindrische Körner. Sie bestehen im Wesentlichen aus Eisenoxid, also im Prinzip Rost, und weiteren Elementen in Form von Salzen, Carbonaten und Hydroxiden. Die Kunst ist, die Zutaten und die Menge für die gewünschte Wirkung optimal zusammenzustellen. Für die Styrol-Produktion werden schon mal 100 bis 700 Tonnen der Kats in einer Anlage benötigt, die dann mehrere Jahre für einen optimalen Ablauf der chemischen Reaktion sorgen.
Wie kam es dazu, dass du Forscherin werden wolltest? Und warum arbeitest du so gerne mit Katalysatoren?
In meiner Heimat Rumänien war selbstverständlich, dass auch Mädchen gut in Naturwissenschaften sind. Das finde ich sehr wichtig, denn so entstehen erst gar keine Berührungsängste mit naturwissenschaftlichen Fächern. Ich habe mich für ein Chemieingenieurstudium entschieden, da mir schon immer etwas am Praktischen lag. Je mehr ich verstanden habe, wie man Katalysatoren steuert und verbessert, desto tiefer wollte ich in die Materie einsteigen. Denn mir wurde bewusst, dass ich noch immer an der Oberfläche kratze und es so viel zu entdecken gibt. Es war, als hätte ich gerade mal die Vorspeise gegessen – ich wollte wissen, was da noch kommt. Als PostDoc und Dozentin habe ich einige Jahre am Karlsruher Institut für Technologie geforscht, bevor ich 2008 die Expertenlaufbahn bei BASF eingeschlagen habe. Hier kann ich genau das machen, was mir am besten liegt und am meisten Spaß macht – forschen, entdecken und dazu beitragen, Katalysatoren für die Praxis zu optimieren.
Angenommen, du hättest unbegrenzte Mittel, an welchem Thema würdest du forschen? Würdest du versuchen, die Geheimnisse der Katalysatoren vollständig zu lüften?
Als Universitätsforscherin würde ich definitiv versuchen alles zu verstehen, was bei der katalysierten Styrol-Reaktion passiert. Doch das ist ein ziemlich dickes Brett und auch wenn es für mich als Forscherin natürlich sehr spannend wäre, hilft es uns bei der Entwicklung von Katalysatoren nicht schnell genug weiter. Das machen wir mit einem gewissen Pragmatismus und mathematischen Modellen schon sehr gut. Als Industrieforscherin zum jetzigen Zeitpunkt würde ich die Ressourcen lieber in zwei Themengebiete stecken, die uns als Gesellschaft mehr weiterbringen: Die elektrische Beheizung von Reaktoren und Kunststoffrecycling. Ich bin überzeugt, dass die Wissenschaft schon immer in der Lage war Probleme zu lösen und das auch heute ist – vorausgesetzt man gibt ihr die Möglichkeit.
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